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Kultur: Kulturstiftung: Henning Scherfs "ehrgeizige Erweiterungsperspektive"

Die Kulturstiftung der Länder wirkt eher im Stillen - oder sollte man ein "bisher" hinzufügen? Die Jubiläumsausstellung zum zehnjährigen Bestehen dieser in Berlin ansässigen Einrichtung, ausgerichtet 1998 in Stuttgart, hat offenbar Mut gemacht.

Die Kulturstiftung der Länder wirkt eher im Stillen - oder sollte man ein "bisher" hinzufügen? Die Jubiläumsausstellung zum zehnjährigen Bestehen dieser in Berlin ansässigen Einrichtung, ausgerichtet 1998 in Stuttgart, hat offenbar Mut gemacht. Jetzt präsentiert die Kulturstiftung einige der mit ihrer Hilfe getätigten Erwerbungen in Berlin, im Neubau der Landesvertretung Bremen, und betritt damit - so die Generalsekretärin der Stiftung, Karin von Welck - "erstmals und ganz bewusst politischen Boden."

Die originäre und in mittlerweile einem Jahrdutzend überaus erfolgreich praktizierte Kernaufgabe besteht in der Sicherung national wertvollen Kulturgutes vor der Abwanderung ins Ausland. Werden Objekte zur Veräußerung auf dem Kunstmarkt angeboten und gibt es einen musealen Interessenten, sucht die Kulturstiftung Förderer und Finanziers zusammenzubringen; sie selbst übernimmt in der Regel ein Drittel, nach Möglichkeit auch weniger des Kaufpreises. Beispiele solcher Erwerbungen, und zwar für Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, zeigt die am Mittwochabend eröffnete Ausstellung.

Die Kulturstiftung der Länder rückt in der Tat ins politische Rampenlicht. Die Aufgaben der Stiftung könnten in nächster Zukunft spürbar wachsen. Bremens Landeschef, Bürgermeister Henning Scherf, der als turnusmäßiger Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz derzeit den Vorsitz im Stiftungsrat innehat, skizzierte eine "ehrgeizige Erweiterungsperspektive".

Scherf skizzierte den Stand der deutsch-russischen Verhandlungen über "das Riesenthema der Beutekunst" und machte die erstmals seit Jahren wieder aufkeimende Hoffnung auf schrittweise Erfolge bei der Lösung des quälenden Problems kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter anschaulich. Solche Erfolge hätten aber zur Folge, "dass wir in der Bundesrepublik viel Geld in die Hand nehmen müssen, um eine Partnerschaft mit der russischen Seite zu Stande zu bringen." Gemint ist materielle Hilfe für die russischen Museen, wo es an allen Ecken und Enden mangelt, insbesondere bei Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken. Von "kompensatorischen Maßnahmen" sprach Scherf nicht, denn diese russische Forderung widerspricht dem völkkerechtlichen Grundsatz auf bedingungslose Rückgabe. In der Realität wird es ohne fallweise Hilfestellungen nicht abgehen.

Wer aber könnte solche Hilfe bewerkstelligen? Das Vorhaben von Kultustaatsminister Michael Naumann, eine "Bundeskulturstiftung" unter anderem für die Handhabung der Beutekunstproblematik zu schaffen, köännte in eine deutliche Stärkung der von allen 16 Bundesländern getragenen, vom Bund aber nur hälftig mitfinanzierten Berliner Einrichtung münden. Mit Restitutionsforderungen hat die Kulturstiftung seit der deutschen Einheit ohnehin fortwährend zu tun: Von der DDR enteignete Sammler pochen auf Rückgabe.

Dieser Komplex wird noch eine dramatische Weiterung erfahren, wenn im Jahre 2014 die mobilen Enteignungsobjekte, also Kunstwerke in den Museen insbesondere der neuen Bundesländer, entsprechend der im Einigungsvertrag getroffenen Regelung für Rückgabeforderungen "frei" werden. Zumeist handelt es sich um Ansprüche enteigneter Adelshäuser. Es gibt eine Reihe von Modellfällen, in denen die Kulturstiftung Rückgabeforderungen zum beiderseitigen Wohle hat regeln können, etwa im Falle der Sammlung Maximilian Speck von Sternburg, die für das Leipziger Museum der bildenden Künste teils durch Kauf, teils durch Schenkung erworben und auf Dauer gesichert werden konnte.

Es sind dies Beispielfälle für die Fachkompetenz der Kulturstiftung, die mehr und mehr zu einem "Finanzdienstleister" herangewachsen ist, der öffentliche und private Geldgeber für den Kauf abwanderungsbedrohter Objekte versammelt und mit seinen eigenen Mitteln von 15 Millionen Mark im Jahr ein Vielfaches an Finanzmasse mobilisiert. Mehr als 500 Millionen Mark beträgt die Förderungssumme, die die Kulturstiftung auf diese Weise in zwölf Jahren zusammenbrachte.

Erstmals nannte der Bremer Landeschef konkrete Zahlen zu Naumanns Vorhaben: Für den Komplex der Rückführung der Beutekunst würde der Bund 50 Millionen Mark jährlich bereitstellen. Diesem Betrag könnten die Länder, so Scherf, eine entsprechende Summe an die Seite stellen. Daneben wirbt die Stiftung seit langem um eine Erhöhung ihres seit langem gleich gebliebenen Erwerbungsetats von 15 auf 20 Millionen Mark im Jahr. Insbesondere Bayern und Baden-Württemberg sollen ihre entsprechende Bereitschaft bereits signalisiert haben.

Die viele Jahre lang geradezu zum Eckpfeiler der Verfassung hochstilisierte "Kulturhoheit der Länder" berührte Scherf nur im Vorbeigehen. Die Länder sind gegen eine Bundeskulturstiftung. Das war immer ihre Linie - und führte in den achtziger Jahren zu der Konstruktion, dass der Bund an der Kultustiftung der Länder lediglich "mitwirken" darf, ohne jedoch Mitträger zu sein. In der von Scherf skizzierten Zukunftsperspektive würde der Bund zur Lokomotive, der mit seinen Zusatzmitteln die Länder zu gleich großen Leistungen antreibt. Nutznießer - das wissen alle Landesfürsten - sind ohnehin die Museen, Sammlungen und Archive in den jeweiligen Ländern, einerlei, wer ihre glücklichen Erwerbungen bezahlt.

So ist es ja auch der kleinen, feinen Ausstellung - betreut von Britta Kaiser-Schuster und eingerichtet von Altmeister Klaus-Jürgen Sembach - in den Räumen der Landesvertretung abzulesen. Prunkstücke sind Paula Moderson-Beckers "Liegende Mutter mit Kind" von 1906, das die Kunstsammlungen Böttcherstraße Bremen erwerben konnten, und Oskar Kokoschkas "Pariser Oper" von 1924, das die Kunsthalle Bremen bereits 1927 ankaufte, zehn Jahre später durch die NS-Aktion "Entartete Kunst" wieder verlor und 1992 ein zweites Mal in Empfang nehmen konnte. Dann sind Bronzen und Grafiken von Ernst Barlach zu sehen, die aus dem umfangreichen Nachlass des 1938 verstorbenen Künstlers stammen, der nach der Wende für die Barlach-Stiftung im mecklenburgischen Güstrow gesichert werden konnte. Zeichnungen von Gerhard Altenbourg aus dem Lindenau-Museum seiner Heimatstadt werden gezeigt, ferner einige Seiten aus dem rund 6000 Blatt umfassenden Konvolut von Manuskriptenund Materialien Theodor Fontanes für das Fontane-Archiv Potsdam, die - so Karin von Welck - "einen geradezu kriminalistischen Einblick in die Werkstatt des Dichters erlauben".

Vier von sechzehn Bundesländern finden in der gegenwärtigen Ausstellung Berücksichtigung. Es werden also gewiss weitere Ausstellungen folgen, die die in jeder Hinsicht erfolgreiche, aus dem kulturellen Leben der Bundesrepublik überhaupt nicht mehr wegzudenkende Tätigkeit der Kulturstiftung der Länder beleuchten. Für weitere Aufgaben ist diese im besten Sinne föderative Institution gerüstet.

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