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Bitte betreten. Roman Ondák installiert den Flügel einer Boing 373-500 in der Guggenheim Unter den Linden.

© Roman Ondák

Kunst: Flughöhe 20 000 Fuß

Künstler des Jahres: Roman Ondák in der Deutschen Guggenheim.. Mit ihm hat sich die Deutsche Bank – nach der Kenianerin Wangechi Mutu und der Marokkanerin Yto Barrada – einen Künstler des Jahres erwählt, der nun Osteuropa, die Konzeptkunst und eine Heiterkeit einbringt, die gleichzeitig melancholisch stimmt.

Kunst kann viel: zum Fliegen bringen, eine harte Landung bescheren. Doch nur selten werden solche imaginären Erfahrungen wörtlich genommen. Roman Ondák gelingt dies mit der Selbstverständlichkeit eines Luftkünstlers. In der Deutschen Guggenheim lässt er den Besucher über den Tragflügel einer Boing 737-500 balancieren. „Do not walk outside this area“ nennt er seine Installation in Anlehnung an jenen kleinen Warnhinweis, der sich tatsächlich als Schriftzug rechts und links auf jedem Flugzeugflügel befindet und schon so manchen Passagier beim beiläufigen Blick aus dem Fenster höchst überrascht hat.

Wer sollte schon auf die Idee kommen, in 20 000 Fuß Flughöhe da draußen umherzuwandern? Und bei gelandeten Maschinen sieht man Flugzeugtechniker zwar unterhalb, aber nie auf den Flügeln ihrer Arbeit nachgehen. Die unfreiwillige Komik hat einen ernsthaften Hintergrund für den Moment einer Notlandung: nur innerhalb der markierten Linie bietet dieser Rettungsweg Stabilität.

Der slowakische Künstler Roman Ondák probt hier nicht den Ernstfall, sondern eröffnet einen Raum der Vorstellung, indem er ihn zunächst real betreten lässt. Über eine kleine Treppe gelangt der Besucher auf Höhe des am Boden abgelegten Flügels, der an seinem verjüngten Ende wie eine Brücke in den nächsten Raum führt. Auf dem Weg schlägt die Fantasie Kapriolen – was wäre wenn? Die Galerie wird zum Himmel, auch wenn der Besucher mit seinen Füßen auf dem Boden recht ungewöhnlicher Tatsachen steht. Dem White Cube hebt sich unwillkürlich die Decke, Frischluft fließt ein.

Ein ähnliches Prinzip hat Ondák vor drei Jahren auf der Biennale di Venezia angewandt, wo er die Vegetation der Giardini, Rhododendren, Beete, Büsche und den Kiesweg einfach durch den Tschechischen und Slowakischen Pavillon fortsetzte – eine der beeindruckendsten Arbeiten. Der Außenraum kehrte sich nach innen. Viele Besucher fanden hier ihren Lieblingsort. Die Kunst bestand in der Beiläufigkeit, dem Öffnen des Horizonts und einer geradezu philosophischen Auseinandersetzung über minimale Verschiebungen im Alltag und deren große Effekte.

Mit Ondák hat sich die Deutsche Bank – nach der Kenianerin Wangechi Mutu und der Marokkanerin Yto Barrada – einen Künstler des Jahres erwählt, der nun Osteuropa, die Konzeptkunst und eine Heiterkeit einbringt, die gleichzeitig melancholisch stimmt. Nach ihm wird es nur noch eine letzte Ausstellung der Deutschen Bank im Junktim mit dem Guggenheim Museum geben: gezeigt wird Gabriel Orozco. Anschließend trennen sich die Wege der Partner. Nach drei Fünfjahresverträgen wollten sie ihre Kooperation nicht verlängern, die als Impulsgeber für die Kunststadt Berlin so wichtig war.

Seit der eher abrupten Mitteilung vom Ende des Junktim Anfang Februar macht das New Yorker Museum in Berlin mit einem anderen Partner ebenso wenig glücklich von sich reden: Das nun für Juli geplante Lab im Verein mit BMW stand bislang unter keinem guten Stern. Auch die Deutsche Bank lässt mit besseren Nachrichten zur Zukunft ihres schlanken, eleganten Galeriegebäudes Unter den Linden auf sich warten. Zur zweiten Jahreshälfte, so heißt es aus der Zentrale in Frankfurt, wisse man mehr. So viel steht fest: Einen Künstler des Jahres mit dazugehöriger Schau soll es weiterhin geben. Statt Kunst aus dem Bestand des Guggenheim sollen fortan Werke der eigenen Sammlung gezeigt werden.

Roman Ondáks Ausstellung kommt da zur rechten Zeit. Sie handelt von der Neugierde, der Lust auf das Abenteuer, dem Reisen. Gleich die erste Ausstellungswand im Eingangsbereich definiert er um, indem er eine altmodische Türklinke mit rotem Besetztzeichen daran befestigt; auf der Rückseite befindet sich das Gegenstück. „Wall Being a Door“ (Wand als Tür) ist dieses kleine Zauberstück überschrieben, das nicht vorhandene Türen gleich aus den Angeln hebt. Der 46-jährige Slowake, der in der Zeit des Zusammenbruchs des kommunistischen Systems studierte, bringt seinen eigenen Umgang mit Wirklichkeit mit. Ihn faszinieren Warteschlangen, Gucklöcher, Schaufenster, an denen sich Menschen die Nase platt drücken. Was einen wirklich erwartet, bleibt der Fantasie jedes Einzelnen überlassen.

Dt. Guggenheim, Unter den Linden 13 / 15, bis 18. 6.; tägl. 10 - 20 Uhr. Kat. 39 €.

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