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Kunst: Gut gebrüllt

Im kommenden Jahr sollen im Deutschen Pavillon auf der Biennale di Venezia vier internationale Stars gezeigt werden. Die Kuratorin Susanne Gaensheimer will damit alles richtig machen - und könnte doch langweilen.

Nach dem großen Erfolg mit Christoph Schlingensief im vergangenen Jahr auf der Kunstbiennale Venedig plant Susanne Gaensheimer, Kuratorin des deutschen Pavillons, ihren nächsten Coup. Damals unkte die Kunstwelt: Warum ausgerechnet ein Bühnenmann, ein Filmemacher? Die Jury aber verlieh der Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt den Goldenen Löwen für ihre Hommage an den früh verstorbenen Gesamtkunstwerker - mochte sich die Kunstkritik auch noch so wenig anfreunden mit der Umwidmung des White Cube in einen schummrigen Kirchensaal, gefüllt mit Schlingensiefs Obsessionen.

Die Regularien sehen vor, dass die Kuratoren des Deutschen Pavillons zwei Mal hintereinander antreten dürfen. Udo Kittelmann dankte vorzeitig ab, nachdem er für Gregor Schneiders „Haus Ur“ ebenfalls den Goldenen Löwen erhielt, wohl ahnend, dass sich ein solches Glück nicht wiederholen lässt. Susanne Gaensheimer will es wagen – und macht erneut alles richtig. Und wieder wird es ihr die Kunstkritik nicht danken. Statt eines deutschen Künstlers lädt sie vier internationale Stars ein: den Chinesen Ai Weiwei, die Inderin Dayanita Singh, den Südafrikaner Santu Mofokeng und den in Wiesbaden geborenen Romuald Karmakar mit iranischen Wurzeln. Sie alle betätigen sich gesellschaftskritisch - ob als Installationskünstler, Bildhauer, Fotograf oder Filmemacher.

„Mir ging es darum aufzuzeigen, dass die Kunstwelt in Deutschland sehr stark geprägt ist von einem internationalen Netzwerk und der Zusammenarbeit,“ gab die Ausstellungsmacherin als Begründung an. Gewiss, damit hebelt sie eine Grundregel der Biennale aus, deren Charme und Anachronismus darin besteht, dass in Zeiten der Globalisierung ausgerechnet im Touristendorf Venedig der Ländervergleich geprobt wird, wie vor 100 Jahren. Doch die Helden der Nation gibt es nicht mehr, mögen Kunstmarkt und Ausstellungszirkus in Deutschland noch so sehr den Gerhard Richters, Sigmar Polkes und Neo Rauchs ihre Anerkennung zollen. Wer sich im Betrieb umschaut, erlebt Internationalität - und das keineswegs als deutsche Spezialität. Gaensheimer zelebriert in Venedig also eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem: Sollte ihre Ausstellung auch noch gut aussehen, worauf die Auswahl hoffen lässt, könnte die Kuratorin den nächsten Löwen einheimsen - für eine abermalige Grenzerweiterung. Die clevere Kombination ihrer Kandidaten, die passgenau aus verschiedenen Kontinenten stammen, lässt darauf schließen, dass Susanne Gaensheimer solche Ehren wohlfeil in Kalkül gezogen hat. Da mag die Kunstkritik noch so sehr monieren, dass die in den Giardini die Gelegenheit für eine spannende Schau verschenkt wird. Die Lehre: Nicht nur Kunst, auch Kuratieren kann Politik sein.

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