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KUNST Stücke: Abrieb

Beamtenhaft nüchtern gibt sich die Kommunale Galerie von Charlottenburg-Wilmersdorf – in einem Verwaltungskomplex zwischen Ordnungs- und Vermessungsamt. In direkter Nachbarschaft stellt Katrin von Lehmann die Verlässlichkeit akribischer Vermessung und Einordnung infrage.

Beamtenhaft nüchtern gibt sich die Kommunale Galerie von Charlottenburg-Wilmersdorf – in einem Verwaltungskomplex zwischen Ordnungs- und Vermessungsamt. In direkter Nachbarschaft stellt Katrin von Lehmann die Verlässlichkeit akribischer Vermessung und Einordnung infrage. „Not Defined“ (Hohenzollerndamm 176, bis 14. August) heißt ihre Ausstellung, die mit einem Paradoxon spielt: dass etwas Flüchtiges wie Wolken kartografiert und kategorisiert werden kann. 31 „Wolkenbeobachtungen“ aus dem Tagebuch des Observatoriums Lindenberg hat sie durch Faltung verdichtet. Entstanden sind zwei hohe Papierstapel („Wolkenbeobachtung 2“, 5800 €), auf denen man flüchtige Wolkenbilder ahnen kann. Für den Glaskubus „Transição“ (1800 €) kontrastiert Katrin von Lehmann Fotos vom Aussichtspunkt auf dem Kreuzberg mit Zeichnungen derselben Strecke, die aus der Erinnerung entstanden sind. In 26 scheinbar verworrenen Bleistiftzeichnungen (7800 €) gibt sie mehr wieder als den optischen Eindruck: In der Galerie fühlt man sich plötzlich auf den Kreuzberg versetzt, hört das Rauschen der Blätter und spürt den Wind auf der Haut.

Der Kommunale Ausstellungsraum Neuköllns kommt mit Fischgrätparkett daher. Auch Bodo Rott beschäftigt sich in seiner Ausstellung (Karl-Marx-Straße 141, bis 17. Juli) mit Prozessen des Erinnerns, geht aber in die Kindheit zurück. Im Zentrum seiner Aquarelle, Ölbilder und Lithografien stehen die „Nichtkinderkinder“, die mit ernsten Gesichtern vor dunklem Hintergrund posieren wie auf alten Porträts oder Fotografien. Sie sind noch unfertig, und ihre Körper, im Gegensatz zu den detaillierten und zuweilen überdimensionalen Köpfen, häufig skizzenhaft. Immer wieder überschatten Flecken die Kinderwelt, deren Protagonisten selbst bedrohlich wirken. „Abrieb 3“ (1900 €) etwa zeigt eine dicht beieinanderstehende Gruppe, deren Blick auf einen Punkt außerhalb des Bildes gerichtet ist, so dass man nur ahnt, wer gleich einen Abrieb bekommt. Erwachsene kommen entweder als gräuliche Umrisse vor wie in „Großer Stolz“ (4400 €). Oder als bunte Kreidekrakeleien. Rott vermittelt eindringlich, wie Kinder ihre Eindrücke verarbeiten und verändert wiedergeben, indem er Lücken reißt oder naiv vereinfacht.

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