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KUNST Stücke: Blauwicht

Auf den ersten Blick liefert die Fotografie klare Fakten. Sie zeigt den Aufstieg eines Bergkraxlers, der Gipfel ist schneebedeckt, der Himmel nebelgrau.

Auf den ersten Blick liefert die Fotografie klare Fakten. Sie zeigt den Aufstieg eines Bergkraxlers, der Gipfel ist schneebedeckt, der Himmel nebelgrau. Doch die weißen Zacken, an denen die Gestalt als dunkle Silhouette emporstrebt, gehören zu keinem Gebirge, sondern entpuppen sich als das Dach des Berliner Tempodroms. Und der Mann ist auch kein Bergsteiger. Sondern eine Reinigungskraft. Mehr als diese beiden Referenzpunkte – der zeltartige Abschluss des Gebäudes vor einem trüben Himmel – gibt Rika Noguchi nicht. Ihre Perspektive bleibt ausschnitthaft, und nur wer Berlin kennt, der kann die Szene einordnen. Für alle anderen bleibt die Konstellation uneindeutig und nebulös. Ein Verwirrspiel.

Mit „A Man and Some Birds“ (2010) präsentiert die Loock Galerie nun die dritte Berliner Einzelausstellung der 42-jährigen Künstlerin (Potsdamer Straße 63, bis 18. Januar). Der Titel versteht sich ganz konkret, und so sieht man auf dem nächsten Bild eine Handvoll Vögel auf ihrer Flugbahn. Wieder gibt es keine konkreten Bezüge. Der weite Himmel gerinnt zur weißen Fläche, und die Vögel erinnern auf den ersten Blick an krabbelnde Insekten.

Ergänzend ist Rika Noguchis Serie „The Sun“ (2005/08) zu sehen. Hier löst die Sonne den Dunsthimmel als Protagonisten ab. Die Motive stammen aus Berlin, Liverpool oder Barcelona, aufgenommen hat sie die Fotografin mit einer Camera Obscura, einer simplen Lochkamera. Ihre lange Belichtungszeit verleiht den Stadtansichten nicht bloß leichte Körnigkeit und Unschärfe. Sie taucht die Gebäude in lichte Schleier und macht sie seltsam irreal. Eines der Bilder (Preise: 2500–12 500 Euro) ist von Noguchis Schlafzimmerfenster aus gemacht. Am frühen Morgen, die Sonne ist eben aufgegangen und die einfallenden Strahlen verdichten sich zu einem Ball aus Licht. Für den Betrachter entsteht der Eindruck, als wäre er gerade erst aufgewacht, als müsse er sich eben noch den Schlaf aus den Augen reiben und mit einem zweiten Blinzeln an die Helligkeit gewöhnen.

In „The Sun" erwacht der Betrachter aus einem Traum, in „A Man and Some Birds“ verliert er sich im Zauber der Motive. Verbindend ist die zeitlose Poetik.

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