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+KUNST Stücke: In Trümmern

Irgendwann ist man so weit, dass man einfach nicht mehr kaputt macht, was einen kaputtmacht. Die andere Option: Man dreht den Spieß um und zieht, schraubt, klebt, malt, schreibt oder lebt einfach alles genau so zusammen, wie es für einen stimmt.

Irgendwann ist man so weit, dass man einfach nicht mehr kaputt macht, was einen kaputtmacht. Die andere Option: Man dreht den Spieß um und zieht, schraubt, klebt, malt, schreibt oder lebt einfach alles genau so zusammen, wie es für einen stimmt. Dann schlägt die Stunde der Montage. In der Kunst gilt das, nachdem der russische Avantgardist Michail Larionow und Marcel Duchamp erst einmal damit angefangen hatten, schon lange. Und ein Berliner, der legendäre Titelseiten für Illustrierte und Bücher montierte, schärfte die Montage sogar bis zur ideologischen Waffe. An John Heartfield (1891-1968) erinnert nun in der Galerie September (Charlottenstraße 1, bis 31. Januar) eine leidenschaftliche Gruppenausstellung von 16 Künstlern, darunter Carsten Fock, Piotr Nathan oder Klara Liden, die gleichzeitig zur Hommage an die von ihm favorisierte Gestaltungsmethode gerät. Allein deshalb lässt sich der in sich geschlossene Gruppenauftritt als Großraum-Montage bezeichnen (Preise der einzelnen Arbeiten auf Anfrage). Denn kaum tritt der Besucher vor die schwarze Folienwand, steckt er im Sog aus Bild, Bewegung und pulsierendem Ton. Von Video bis Sound, von Karton-Installation bis zur Wortcollage, von Fotomontage bis zu schönen papiers collés und Drucken – jede Arbeit steht für sich. Aber vor allem spürt man den Geist der Montage als gemeinsam genutzte, rebellische Methode. Für jene, die noch die romantische Zeit der Fanzines erlebt haben, gibt es herrlich kraftwortende Erinnerungsblätter. Scheint Ewigkeiten her und ist doch, mit Blick auf Heartfields Montagen aus den dreißiger Jahren, erst gestern gewesen.

Zuerst war sich Ik-Joong Kang, der New Yorker Künstler koreanischer Herkunft, des Signalwerts seiner akkumulierenden Arbeitstechnik nicht wirklich bewusst. Er ist Asiate. Und die Weisheit, die aus der Wiederholung des Nichtwiederholbaren kommt, ist dort ein allgemein zugänglicher kultureller Schatz. Mittlerweile hat er Hunderttausende seiner „Übungen“ gemalt. Und an seinen zu Großflächen montierten „3x3“ (inches) großen Holzquadraten erkennt man ihn überall in der Kunstwelt. Doch sein Erfolg ist nur die eine Seite. Denn da ist immer noch Kang: Für den stimmigen und immer mehr ins Spirituelle weisenden Charakter seiner Tableaus (18 000-70 000 Dollar) sorgt allein er. Mal komponiert Kang spielerische Materialien zu bunten Mosaiken aus Horizonten. Dann meditiert er in schwarzen Tuscheschwüngen über Wind und Berge. Seine reduzierten Berglandschaften auf den rohen Holzwürfeln sind phänomenale Kompositionen. Und auch die immer wiederkehrenden Motive der „Mondvasen“ wirken wie Kontrapunkte, die er in die visuellen Partituren seiner Montagen setzt. In einer ungewöhnlich reduzierten Soundinstallation hat er die kleinen Gefäße diesmal räumlich inszeniert und zum Tönen gebracht. Und wie vor zehn Jahren, als er in Berlin die erste Ausstellung zeigte, hört man die buddhistischen Mönche im hellen, lichten Turm seiner Mondvasen singen. Einen Moment lang oder auch länger steht man still wie in der Galerie Alexander Ochs (Sophienstraße 21, bis 13. Januar) und hört zu wie in einer Kapelle. Alles hier scheint zu einem Einzigen montiert: Sound, Pinselschwung, Farbschwingung, Miniaturformat und Großfläche. Als würde er sagen: Bringt zusammen, was euch ganz macht.

Thea Herold

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