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KUNST Stücke: Klingeltöne

Eine Themenausstellung macht selten glücklich – die Künstler nicht, deren Arbeit nun schlimmstenfalls illustrierend wirkt. Und auch den Besucher nicht, dem vor lauter inhaltlicher Vorgabe schnell die Vieldeutigkeit der Werke entgeht.

Eine Themenausstellung macht selten glücklich – die Künstler nicht, deren Arbeit nun schlimmstenfalls illustrierend wirkt. Und auch den Besucher nicht, dem vor lauter inhaltlicher Vorgabe schnell die Vieldeutigkeit der Werke entgeht. Wie gut, wenn man zwischendurch auf löbliche Ausnahmen trifft. Dazu gehört Detroit, eine Gruppenschau junger Künstler aus dem amerikanischen Nordosten in der Berliner Galerie Eva Bracke (Torstraße 170, Finissage: heute und morgen von 14–18 Uhr).

Viel mehr als der Titel verbindet die Zeichnungen, Gemälde, Fotografien und kleinen Lederskulpturen von Mary Fortuna (je 700 €) tatsächlich nicht. Und natürlich das Leben in einer Stadt, die sichtlich von den industriellen Verwerfungen der letzten Jahrzehnte gezeichnet ist. Detroit, könnte man sagen, hat sich mehrfach gehäutet – seine leeren Fabriken und verlassenen Vorstädte sind die Reste dieses Prozesses. Aus diesem Bodensatz der Geisterquartiere neben einem boomenden Wirtschafts- und Vergnügungsviertel im Zentrum schöpft ein großer Teil der 13 Künstler. Anders allerdings, als man es sich mit den Klischeebildern einer sterbenden Stadt im Kopf vielleicht vorstellt. So nimmt Marla Karimipour die Landschaft in ihren kleinen Gemälden (je 850 €) klassisch amerikanisch aus dem bewegten Fahrzeug wahr, während Vagner Whitehead den Alltag auf Blättern mit witzigen Icons (je 300 €) umsetzt. Selbst wenn Fortunas an Stricken baumelnde Körper namens „Sad Rabbit“ oder „Black Sheet“ etwas morbide wirken oder die mehrfach verfremdeten Fotografien von Stig Eklund mit ihren einsamen Hotelgästen Melancholie verbreiten: Am Ende sind diese Figuren noch lange nicht. Eher verpuppt oder eingesponnen in einem Zustand der Transformation, von dem man bloß zurzeit nicht weiß, wo er hinführen wird.

Angenehm weit gefasst ist auch das Motto in der Galerie Scheibler Mitte (Charlottenstraße 2, bis 24. Januar). Musical Paintings hat Bernd Wurlitzer die von ihm kuratierte Ausstellung genannt, die mehrere Videos von Punk-Ikone Malcolm McLaren in ihr Zentrum stellt und dazu die Arbeiten von zehn Künstlern im Raum gruppiert. Eine violette Assemblage von Anselm Reyle, ein großes Schwarz-Weiß-Foto von Rodney Graham oder die Skulptur „Raum/Zeit Krümmung“ (10 500 €) von Alicja Kwade, die zusammenbringen, was sich eigentlich nicht in Bilder gießen lässt: ein optisches und ein akustisches Phänomen. Doch die Wirkung dieser Mixturen aus Farbe, Formen und ein paar eratischen Tönen, wie man sie den schwarz eingefärbten Spielautomaten von Michael Sailstorfer abtrotzen kann, ist verblüffend.

Ein Spiel der Assoziationen, die sich fast unvermittelt einstellen. Sei es, weil Reyle eine elektrische Gitarre in sein Bild klebt, Rob Pruitt mit poppigem Glitzerstaub die maskenhaft geschminkten Gesichter der Siebziger-Jahre-Band „Kiss“ zitiert oder Gregor Hildebrandt seine nachtschwarzen Leinwände mit endlosen Metern von Kassettentonband umwickelt. Sie alle rekrutieren Klänge und Gefühle aus der Erinnerung.

Wie es im individuellen Gedächtnis der Besucher aussieht, kann keiner der Künstler ermessen. Aber vermuten, dass jeder ein paar Geschichten aus der Vergangenheit mit in die Ausstellung trägt, die sich dank der „Musical Paintings“ zum Klingen bringen lassen.

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