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KUNST Stücke: Kontrollverlust

Die gute Laune, die mancherorts dem entgegengebracht wird, was man Krise nennt, ist erstaunlich. Und toll.

Die gute Laune, die mancherorts dem entgegengebracht wird, was man Krise nennt, ist erstaunlich. Und toll. Ist das nicht die beste Art, einer immer unverständlicheren Wirklichkeit zu begegnen: lachend? Jim Avignon, der leichtfüßige Gegenwartsbejaher, ist jedenfalls der richtige Mann, um das komische Potenzial des globalen Wirtschaftssystems abzuschöpfen. Mit seinem „Aufstand der Dinge“ erklärt er die Welt zur Spielzeuglandschaft. Scharren, Rasseln und Zwitschern füllt die Kreuzberger Galerie Sakamoto (Oranienstraße 164, bis 28. Februar). In einer Weltkarte aus Pappkartons paradieren die Knallchargen des Systems, angetrieben von einem Wirrwarr aus Motörchen, Kabeln, Bewegungsmeldern und Computerspiel-Controllern. Im Liegestuhl kann der Besucher mit einem Drehregler die Börsenkurse steuern und damit in den USA den Aktentaschen-Banker von der Hochhausklippe springen lassen. Alles hängt hier mit allem zusammen. „Can u beat the system?“, fragt eine Miniatur-Schießbude, die einlädt, mit einer Fliegenklatsche auf Kommunismus, Kapitalismus oder Diktatur einzuhauen. Avignon präsentiert Alltagskunst an der Grenze zur Unterhaltung (100-1400 €), schamlos plakativ, frei von auratischem Ewigkeitswert, dafür mit erheiternd unverkrampfter Gegenwärtigkeit. Ein Spiel mit Überforderung, mit Kontrolle und Kontrollverlust und mit der Komik des zum Leben erweckten Unbelebten.

Mit dieser Komik begann auch die Kunst von Christoph Ruckhäberle, der nach einem Zeichentrickfilmstudium kurz für Disney arbeitete, um dann bei Arno Rink zu studieren und mit der Neuen Leipziger Schule einen Durchbruch zu erleben. In seinen „Portraits“, die bei Christian Ehrentraut wie eine Ahnengalerie hängen, herrscht allerdings Stillstand (Friedrichstraße 123, bis 21. 2.). Das Mädchen im Zirkuskleid, das vor einem Wolkenhimmel betreten die Hände vor den Schoß hält, scheint sich im eigenen Körper nicht wohlzufühlen. Verständlich, da stimmt ja auch einiges nicht. Die Arme einer Gliederpuppe, der Rock einer alten Aufziehfigur, die Füßchen unter wuchtigen Waden seitlich ausgestellt. Gegenüber hat ein neusachlicher Swingtänzer die in sich verdrehten blau-metallenen Zylinder-Beine gehoben. Schon in Ruckhäberles frühen Gemälden, mit denen er sich nicht ohne Ironie an der klassischen Moderne abarbeitete, war erzählerisches Potenzial zu grotesker Bewegungslosigkeit verdichtet. Die an expressionistische Masken, Zirkusmotive und Dixsche Charaktere erinnernden Fantasiefiguren treiben diese Verdichtung weiter (8000-42 000 €). Christian Ehrentraut hat übrigens, während andere jammern und schließen, gerade neue Räume eröffnet und demonstriert damit seine Art, der Krise zu begegnen: mit Zuversicht.

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