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KUNST Stücke: Nachbilder

Eine Katze räkelt sich auf der Fensterbank. Aus dem hölzernen Fell schlagen blaurote Farbfunken, und ihr Blick scheint direkt auf sechs Lithografien an der benachbarten Wand gerichtet.

Eine Katze räkelt sich auf der Fensterbank. Aus dem hölzernen Fell schlagen blaurote Farbfunken, und ihr Blick scheint direkt auf sechs Lithografien an der benachbarten Wand gerichtet. Vielleicht träumt sich das kleine Raubtier (6000 Euro) in das üppige Grün oder auch an den Rand jener tiefblauen Wasseradern, die Reinhard Stangl auf seinen Blättern festgehalten hat. Amazonas-Impressionen, die während der vergangenen zwei Jahre im Atelier entstanden sind. Nach einer ausgedehnten Reise, die Stangl bald noch einmal wiederholen will, um weitere Eindrücke zu speichern. Wer diese dichten Bilder mit einer etwas älteren Abstraktion vergleicht, die unmittelbar daneben hängt, der versteht den Grund: Der Trip durch die exotischen Gefilde hat ein neues, ungeheuer variables Element in Stangls Malerei gebracht, das sich bestens mit seinem Duktus informeller Prägung verträgt. Perfekt ist auch die Liaison mit den hölzernen Skulpturen von Hans Scheib, die in der Galerie Leo.Coppi (Auguststraße 83, bis 10. Januar, 22.12.-3.1. geschlossen) stehen, sitzen, sich wie die beiden großen Primaten (6000 u. 12 000 Euro) kratzen oder faul wie die Katzen auf ihren Bäuchen liegen. Einige hat der Berliner Bildhauer extra für Stangls Motive geschaffen. Doch auch die übrigen passen gut in das Dickicht aus pflanzengrünen Schlieren, wasserblauen Flächen und tiefschwarzen Figuren, die sich auf schmalen Booten durch die Landschaft bewegen. Gewiss, man ahnt: Stangl hat neben dem Amazonas auch die Gemälde eines Peter Doig studiert und sich von dessen giftig schillernden Landschaften anregen lassen. Stangls eigener Stil aber ist so sicher, dass aus diesen unergründlichen Sümpfen eine ganz eigene Malerei mit Sichtbezügen zur Klassischen Moderne entsteht.

Fast in Sichtweite von Leo.Coppi ist die Galerie Walter Bischoff (Linienstraße 121, bis 31.1., 20.12-3.1. geschlossen). Seit heute gastiert hier die Galerie Nero aus Wiesbaden mit neun von ihr vertretenen Künstlern, die auf expressive, konstruktive oder informelle Traditionen rekurrieren, ohne jedoch einfach blind nachzuahmen. Zu ihnen gehört der 1933 in Berlin geborene Joachim Hiller, dessen fein gemalte Strukturen Gestein oder Wasser aus unmittelbarer Ansicht suggerieren – so nah, dass sich das Motiv als Ganzes gar nicht mehr zu erkennen gibt. Noch abstrakter umkreist Michael Wirkner das Landschaftsthema: Mit schwarzen Strichen auf beigem Grund bildet der 1954 in Chemnitz Geborene ganze geografische Territorien ab und fängt abstrahierend ein, was die besondere Atmosphäre der Rheinlandschaft oder des Burgenlandes ausmacht. Ein echter Kontrast ist das üppige Blumenbild „La fleur de Barcelona“ (6600 Euro) von Patrick Baillet: ein exotisches Gewächs wie eine Orchidee, die sich bei näherem Hinschauen aus reiner Farbe zusammensetzt. Die Schweizerin Trudy Ouboter hat einen Teil ihrer malerischen Sprache dem Austausch mit Jim Dine oder Per Kirkeby entlehnt und verbindet deren charakteristische Stilmittel als selbst bald 80-jährige Künstlerin mit ihren eigenen visuellen Erfahrungen. Caro Jost schließlich holt die Straße ins Haus, wenn sie mit ihren schmalen Leinwänden (je 3800 Euro) Abdrücke von reizvollen Strukturen auf dem Boden macht. Die Frottage lässt grüßen.

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