zum Hauptinhalt

KUNST Stücke: Neben der Spur

Simone Reber spaziert auf Nebenwegen in Charlottenburg und Mitte

Das Foto zeigt einen Mann, der seine Empfindsamkeit hinter der Pose des Kraftkerls tarnt. Mit blond verwehtem Haar, sonnengegerbter Haut und buschigem Schnurrbart. An der großen Geste ist der Maler Fritz Jarchov letztlich gescheitert. Eberhard Mönch, der seit 32 Jahren abseits von Trends und Trampelpfaden in Charlottenburg seine Galerie betreibt, hat das Werk aus dem Nachlass von Fritz Jarchov neu entdeckt (Reichsstraße 52, bis 6.6.). Die meisten Gemälde des 1947 in Eutin geborenen Künstlers sind Ende der sechziger Jahre entstanden. Traumbilder, surreale Seelenlandschaften und Visionen – zerrissen zwischen Nachkriegszeit und Aufbruch. In einem Kleinformat (750 Euro) sitzt eine weiße Gestalt im Meditationssitz, die Augen geschlossen, als seien sie zugenäht, die Hände wie zum Gebet erhoben.

Der Körper wirkt durchsichtig, mitten auf der Stirn dreht sich ein wilder Strudel. Verwirrende Psyche. Jarchovs Gesichter erinnern an Max Ernst, seine Körper an Dubuffet. Der Künstler selbst hat die Maschinenmenschen Richard Lindners bewundert, aber seiner Bildsprache fehlt die aggressive Massivität des Amerikaners. Die Szenen wirken wie spirituelle Kunst, wie Mandalas oder die Zeremonienmalerei der Hopi-Indianer. Ihre Symmetrie spricht von der Sehnsucht nach Balance, wohl weil Jarchov selbst auf schmalem Grat zwischen Hell und Dunkel wandelte. 1983 nahm er sich das Leben. Von den großen Utopien der Sechziger verraten seine Bilder heute nichts mehr. Sie sind vielmehr schmerzhafte Selbsterkundungen eines Mannes, dessen Stärke in der Stille lag.

Hier die kleine Galerie Mönch in Charlottenburg – dort das weitläufige Loft der Galerie Son in Mitte: Es ist, als käme man in eine andere Stadt. Dann sagt die koreanische Künstlerin Moon Suk: „In Korea träumen alle von der Wiedervereinigung“ und singt das Lied der Loreley in Koreanisch. Auf wundersame Weise fühlt sich das exakt nach Berlin an. „Ich bin eine Koreanerin“ heißt die Ausstellung der einstigen Fernsehmoderatorin (Wallstrasse 16, bis 23.5). Vor zwanzig Jahren kam sie nach Deutschland, um Gesang zu studieren.

Die Galerie zeigt nun Bilder, die zwölf Fotografen von Moon Suk aufgenommen haben. Offensichtlich lagen sie der Verwandlungskünstlerin zu den stilettobewaffneten Füssen. Sie inszenieren Moon Suk als kapriziöse Tänzerin (Detlev Schneider, 1200 Euro), als kleine Meerjungfrau (Karsten Bartel, 1000 Euro) oder mondäne Schönheit (Lars Kroupa, 1000, Euro). „Schau mich an“, schreibt Moon Suk in einem ihrer Gedichte, die neben den Fotos hängen. Es sind Beobachtungen, die Liebenswürdigkeit einsetzen, um zu provozieren. „Ich bin eine Koreanerin“ ist nur die halbe Wahrheit. In Deutschland hat Moon Suk ihre Stärke im Scheinwerferlicht entdeckt.

Zur Startseite