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KUNST Stücke: Schwarze Schafe

Christiane Meixner fährt aufs Land und wieder in die Stadt zurück

Einsam ist es hier, und das liegt nur zum Teil an der Gegend. Die Galerie Neu (Philippstraße 13, bis 29.2.) öffnet sich zur einen Seite auf das Gelände der Charité und bietet durchs Fenster den Blick auf kahle Bäume und Sträucher – was eine wunderbare Verlängerung jener Arbeiten ist, die man drinnen sehen kann. Kleine Fotografien von Saul Fletcher mit Schafen unter wolkenschwerem Himmel, die zu hellen Punkten auf feuchtem Grün gerinnen. Daneben Zeichnungen, in denen die winterliche Depression als sanftes Tier- und Dingmotiv in schäbigem Graubraun wiederaufersteht. Spielerisch ist diese erste Einzelausstellung des britischen Künstlers in der Galerie, der an der Berlin Biennale 2006 teilgenommen hat. Ein Kabinett der Spuren und Zeichen, sehr still und sehr melancholisch. Eine Art Mobile hängt an der Wand, aus Wolle und Ästen gemacht, und man spürt die Verwandtschaft zwischen den Landschaftaufnahmen und jenem artifiziellen Objekt – analysieren kann man sie nicht. Fletcher, der sich scheinbar bis zur Obsession mit Minimalem befassen kann, lenkt den Blick auf Details, die kurz vor dem Verschwinden scheinen. Am liebsten möchte man nun prüfen, ob man selbst die Natur so sehen kann – als filigrane Komposition aus Flächen, Farben und Strukturen.

Doch das geht jetzt nicht. Es wartet die Stadt dort, wo es richtig wummert: Am viel befahrenen Mehringdamm hat Alexander Schröder von der Galerie Neu seinen Projektraum „MD 72“ aufgemacht und als Kurator sieben Künstler in sieben Räume eingeladen. In eine Altbauwohnung für all jene, die genug vom white cube haben und sehen möchten, wie sich ein gigantischer gläserner Kronleuchter von Ceryth Wyn Evans zwischen Stuck und Parkett macht. Seine Glühbirnen schicken Morsezeichen durch den Salon und laden die bis auf die Kunstwerke leere Wohnung mit Bedeutung auf: Grundlage der Zeichensprache ist ein astronomischer Text, der das Weltall ins Wohnzimmer bringt. Schauplätze des Immateriellen gestalten auch Kitty Kraus und Klara Liden – die eine mithilfe von Boxen, durch deren feine Ritzen Licht nach außen dringt und den ansonsten dunklen Raum mit einem architektonischen Gittermuster überzieht. Liden wiederum öffnet die Tapetentür ins einstige Dienstmädchenzimmer und verstärkt deren klaustrophobische Enge, denn die Kammer ist mit schwarzer Folie tapeziert. Auch wenn es ein bisschen danach klingt: Keiner der Künstler baut allein auf die Atmosphäre der Wohnung, die Arbeiten würden auch am nüchternen Galerieort wirken. Und doch geht von der Intimität jener Räume ein Zauber aus, der einen für lange Momente bannt (Mehringdamm 72, bis 10. 2., Di–Sa 12–18 Uhr).

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