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KUNST Stücke: Softe Kerle

Jens Hinrichsen erforscht das Seelenleben der Skulpturen

Der Buchstabe Q macht, was er will. Wie ein Stück zerkautes Weichlakritz sonnt er sich im Scheinwerferlicht des Showrooms. El Sourdog Hex heißt das Museum auf Zeit des Sammlers Reinhard Onnasch. Im Entrée reckt das kopfstehende, schwarzglänzende „Q“ (1976) aus Polyurethan schamlos seinen Q-Strich in die Höhe, als wollte es „Ihr könnt mich mal" sagen. Nicht minder respektlos und amüsant kommen weitere Skulpturen des gebürtigen Schweden Claes Oldenburg daher. Hauptsächlich plastische Kunstwerke aus drei Jahrzehnten bieten eine Art Einführungskurs in die Pop-Art Oldenburgscher Prägung: zerfließende Konsumgüter, riesenhaft aufgeblasene Alltagsgegenstände, Essbares aus Fiberglas oder Latex. Entsprechend den Forderungen der Neuen Realisten wollte Oldenburg den Blick neu auf die Dinge des Alltags richten. Als gutes Beispiel für seine Technik, Fetische der Warenwelt enorm zu vergrößern, dient ein Riesenelektrostecker aus Holz und Masonit oder ein raumfüllendes Eis am Stiel aus hautfarbenen Buchstaben, an dem unten ein Tropfen hängt. Bei Oldenburg schmelzen aber auch die Möbel, so hängt das „Soft Medicine Cabinet" (1966) aus Vinyl schlaff von der Wand herab. Armes Schränkchen. Skulptur zeigt Gefühle (Zimmerstraße 77, bis 23. Februar).

In der Galerie Gebrüder Lehmann schießt die Farbe eines Wandobjekts ins Auge: Blutrot hat Jim Lambie nicht nur die Matratze lackiert, blutige Spuren laufen auch von der Wand hinab bis zum Boden. Sex und Gewalt: Ingredienzien eines Sergio-Leone-Western. Die Assoziation kommt nicht von ungefähr, denn die Gruppenausstellung heißt „Wild West" und wirbt mit schießwütigen Reitern auf dem Plakat. Statt Begleittext ist eine Cowboygeschichte abgedruckt. Ansonsten sind die Prärie-Anmutungen in der Ausstellung eher dünn gesät. Gut, Lara Schnitgers siebenbeiniger „3-D-Dog“ könnte als Pferd durchgehen. Das „Ugh“, von Jack Pierson aus gefundenen Reklamebuchstaben an die Wand genagelt, lässt sich als Indianerzitat lesen. Und manch eine von Mary Redmonds filigranen Skulpturen erinnert an indianische „Traumfänger". Aber letztlich wollen die Dresdner Galeristen mit der „Go West“-Assoziation wohl darauf aufmerksam machen, dass sie eine Dépendance in Berlin eröffnet haben. Zudem wird mit Namen, die überwiegend nicht aus dem Kernprogramm stammen, tatsächlich künstlerisches Neuland betreten. Anders als bei Oldenburg zeigt sich Skulptur hier von der abstrakten Seite – etwa im Fall von Olaf Holzapfels minimalistischen, materialsensiblen Modulen aus Archivpappe (Lindenstraße 34, bis 26. Januar).

Jens Hinrichsen

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