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KUNST Stücke: Töne treffen

Jens Hinrichsen sucht nach dem Geheimnis von Blau, Grün und Rot

Hau den Ball ins Netz, spring vom Zehnerbrett, tanz dir die Seele aus dem Leib: Was immer die Figuren des 29-jährigen Malers Christian Awe tun, Stillsitzen ist nicht ihre Sache. „Welcome to my Arena“, ruft seine sportive Ausstellung den Fans der Galerie Vonderbank zu. Basketballspieler in Aktion sind auf einem Großformat zu sehen; hier wie auch auf anderen Mischtechnikbildern lässt der ehemalige Graffiti-Sprüher für rastlose Beine einfach Linien weißen Malgrunds stehen oder kratzt muskulöse Arme aus der Acrylfarbe. Zeichenhaft, fast anonym bleibt das Personal – tropfend, schwitzend, geradezu adrenalingesättigt drängt der abstrakte Bildraum in den Vordergrund.

Verlierer nach Punkten: die Farbe. Statt mit subtilem Zusammenspiel zu glänzen, kollidieren Ultramarinblau und Rot aufs Heftigste, jagen und schubsen sich Primärfarben gegenseitig über die Leinwände. Hinter den schemenhaften Partygirls des Triptychons „Culture Deportation" (9500 Euro) verbergen sich Migrantinnenschicksale, sagt der Baselitz- und Daniel-Richter-Schüler Awe. Gut gemeint, aber man spürt nichts davon. Auch die Deutschlandfarben am Bildrand sind kein Nachweis für dingfeste Gesellschaftskritik (Unter den Linden 40, bis 20. November).

Wem es zu bunt wird, dem empfiehlt sich ein konzentrierter Aufenthalt in der Galerie Läkemäker: Wie Christian Awe hat auch der 1981 in Russland geborene Lev Khesin an der Berliner UdK studiert, bei Frank Badur. In Khesins Ausstellung „Silicone Valley" wird das Wechselspiel von Farbe und Material zum Abenteuer: Die zwischen Mal- und Objektkunst changierenden Werke führen in Licht- und Schattenzonen, zu grellfarbigen Kliffkanten und in düster gefärbte Untiefen. Khesin spachtelt mit Pigmenten versetzte Silikonlagen zu im wahrsten Wortsinn vielschichtigen Materialbildern (680 – 9000 Euro). Während an den Rändern meist dicke Krusten wie von erstarrtem Kerzenwachs stehen bleiben, überlagern sich die transparenten Farbschleier und -schlieren im Bildgrund zu tausendundeiner Farbmischung, etwa zur bläulich eisigen Fläche des Bildes „Omnium gatherum".

In vielen der oft kühn kolorierten Farbklanggedichte scheinen Geheimnisse verborgen; da überrascht nicht, dass Khesin von russischen Ikonenmalern abstammt. Inspiriert scheint er auch von modernen Abstrakten wie Rothko oder Pollock, seine offensichtliche Experimentierlust vermeidet indes jedes Epigonentum. Bemerkenswert: Trotz der Vielfalt und obwohl Khesin noch in weiteren Medien wie Zeichnung, Fotografie und Experimentalfilm arbeitet, fällt sein Werk nicht auseinander. Wie selbstverständlich findet er immer wieder zum malerischen Kern seiner Arbeit zurück. Ohne Hyperaktivität, ganz unangestrengt (Schwedter Straße 17, bis 3. November).

Jens Hinrichsen

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