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Kultur: Kunst und Honig

Der Bezirksliebhaber: Liedermacher Ingo Insterburg wird siebzig

Eigentlich waren sie eine Zumutung, die nicht nur den guten Geschmack auf eine harte Probe stellten. Selbst humoristisch veranlagte Zeitgenossen brauchten eine überdurchschnittlich große Portion musikalischer Toleranz, um sie zu würdigen. Die so genannten Blödlbarden, die Anfang der Siebzigerjahre mit Gitarre, Maultrommel und Hackenpauke ihren langen Marsch durch die Trinkhallen begannen, sind ein eigenartiges Phänomen.

„Ich liebte ein Mädchen in Spandau, von der war immer der Mann blau“, reimte der damals berühmteste von ihnen in seinem auch über die Stadtgrenzen berüchtigten Gossenhauer. Ingo Insterburg war der Anführer einer Bande musikalischer Strauchdiebe, die das Jahrzehnt der Vollbärte mit LPs beschenkten, die „Musikalisches Gerümpel“ oder „Lieder aus Kunst und Honig“ hießen – und diesen Anspruch auch voll einlösten. Mittlerweile ist es um das Quartett aus Peter Ehlebracht, Jürgen Barz und Intsterburg eher still geworden, einzig Karl Dall sieht man regelmäßig im Fernsehen.

Die Geschichte der berüchtigsten deutschen Blödlkapelle führt ins Herz des alten Westberlin. Ende der 50er engagierte Klaus Kinski den Kunststudenten als Gitarristen für seine Interpretation von Brecht-Balladen. Die Veröffentlichung scheiterte an den Erben – und erschien erst jetzt, nach mehr als vierzig Jahren. In den Sechzigern sang Insterburg für zehn Mark und drei Freibier in „Dany’s Pan“, später im „Reichskabarett“. Mit Liedern wie „Diese Scheibe ist ein Hit“ oder „Ich koch mir ’ne Kartoffelsuppe“ tourten die „fröhlichen Insterburger“ durch Europa – bis zur Auflösung der Band. Nach erfolgsarmen Neugründungen singt Insterburg seit 1994 solo – und tut dies bis heute.

Der bekennende Nichtraucher und Vegetarier wohnt in einer Berliner Gartenwohnung mit komfortablem Hobbykeller am Roseneck., umgeben von Gummivögeln, selbstgemalten Aquarellen und einer unüberschaubaren Armada von Instrumenten aller Art.

An den Wänden versammelt Insterburg Schallplatten wie den Soundtrack zu „Quartett im Bett“ von Peter Schamoni („Zur Sache Schätzchen“) und andere „Brandneue Ladenhüter“. Ob ihm heute auch Lieder peinlich sind? Ingo Insterburg schüttelt den Kopf: „Nein, die waren immer nach bestem Gewissen ausgesucht.“ Dies gelte auch für sein neues Programm „Ach nu’ bin ich Siebzig“, mit dem er ab und zu auftritt. Ab heute ist dieser Titel gerechtfertigt. Ingo Insterburg feiert heute seinen siebzigsten Geburtstag.

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