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Kultur: Kunst & Kirche

Biennale Venedig: Besuch im Schlingensief-Pavillon

„Seht den Hasen, denn er erklärt Euch den Glauben“, tönt es aus den Lautsprechern. Eine Messe der anderen Art wird zelebriert. Der Deutsche Pavillon bei der 54. Biennale in Venedig ist zu einem Gotteshaus mutiert: mit Kirchenbänken, Apsis und Altar. Die ausländischen Besucher, die von Christoph Schlingensief noch nicht viel gehört haben, werden sich wundern, wie sehr sich die Deutschen hier wieder einmal an der Geschichte der Nation abarbeiten. Der faschistische Bau, dessen Imponiergehabe bis heute an seine NS-Vergangenheit erinnert, erfährt durch den Kircheneinbau eine überraschende Überhöhung. Das Pathos der Architektur zu brechen, das hat noch jeder Künstler an diesem aufgeladenen Ort versucht: Beuys, Haacke, Gregor Schneider, Tino Sehgal. Nur diesmal lebt der Künstler nicht mehr.

Schlingensief starb im August 2010, wenige Monate nach der Einladung, den Pavillon zu bespielen. Die Kommissarin des Pavillons, Susanne Gaensheimer, und Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz haben versucht, sein Werk zu vollenden. Das ist ihnen nicht ganz geglückt.

Schlingensief hatte die verrückte Idee zu einem afrikanischen Wellness-Bad: Der Besucher würde beim Eintauchen schwarz – und damit erst rein. Doch Gaensheimer und Laberenz wagten sich nicht an eine Realisierung, und für einen Neustart mit einer anderen Nominierung war es zu spät. Nun ist der Pavillon zu einer Hommage an den wichtigsten Quertreiber des deutschen Kulturbetriebs der letzten zwanzig Jahre geworden. Sie lässt das Herz schwer werden. Denn die Rekonstruktion der Oberhausener Kirche, in der Schlingensief zwölf Jahre lang ministrierte, die zum Bühnenbild seiner „Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ wurde und in der auch seine Totenmesse stattfand, gerät zur Kulissenschieberei, zu einer übergroßen Bühne, auf der die Akteure fehlen. Die Filmprojektionen, der beleuchtete Beichtstuhl, die Vitrine mit zwei Lungenflügeln aus Salzteig, das Krankenbett neben dem Altar – es sind nur noch kuriose Requisiten.

Die Filme allerdings sind genial. Wer den Filmemacher Schlingensief noch nicht kannte, wird ihn nach Venedig vermissen. Die Seitenflügel des Pavillons, die seinen Kino- und Videoarbeiten sowie dem Operndorf in Burkina Faso gewidmet sind, lohnen den Besuch denn auch mehr als der Haupttrakt mit dem Kirchenraum und anderen Elementen des Schlingensiefschen Kosmos: Beuys, Paik, Fluxus. Ein düsterer Ort. Dann tritt man wieder nach draußen, in die sonnendurchfluteten Giardini, die ab 4. Juni fürs Publikum geöffnet sind. Nicola Kuhn

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