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Kunst und Markt: Perlen aus Kamelhaar

Garten Eden: Der Multimedia-Künstler Marc Schmitz stellt in der Galerie Kai Hilgemann aus

In dem Bild ist Bewegung. Auf einer 4,40 Meter langen Holztafel schwirren die Farben licht und ätherisch, Gelb und Blau schimmern in zartem Kontrast. „Es geht mir um Balance und den Ausgleich von Spannungsfeldern“, sagt Marc Schmitz. Die Arbeit „Streams N-S“ ist Teil seiner Ausstellung „Eden“ in der Galerie Kai Hilgemann – kein Paradiesversprechen, sondern ein Ausgangspunkt westlicher Kultur. Dabei wehrt sich der 47-Jährige gegen jede konventionelle Deutung und entzieht sich spielerisch klassischer Gegensätze wie Gut und Böse, die das Thema heraufbeschwört.

Schmitz zeigt sechs große Ölbilder, drei geknüpfte Objekte und ein Relief aus Neon-Schrift. „Streams N-S“ und „Streams E-W“ (je 7500 Euro) sind in den entsprechenden Himmelsrichtungen aufgehängt und ergänzen sich in ihrer Verschiedenartigkeit: kühl und zurückgenommen das eine, warm und strahlend das andere. Die Farben fließen zusammen, tanzen miteinander in einer fast körperhaften Präsenz. Das gilt auch für die beiden Knüpfobjekte „Two Braids“, die einander entgegenschlängeln. Der Künstler hat sie aus Kamelhaar und Perlen, Gummi und Strass gefertigt. Beide bestechen durch ihre Materialität und nehmen Bezug auf die asiatische Kultur. An der Wand hängt eine Uhr aus den 70er Jahren aus einer Berliner Sparkassenfiliale. „Mich interessiert weniger das narrative Moment in der Kunst“, so Schmitz, „sondern der Charakter von Zeit im Sinn von ,whitnessing time‘. Was da passiert, ist genau, was auch in der Zeit passiert und schließlich dargestellt wird.“ Solche Sätze machen ihm Spaß. Schmitz hat zuerst Philosophie studiert, dann Kunst mit dem Schwerpunkt Multimedia. Mit sozialkritischen Aussagen hält er sich in seinen Arbeiten zurück. Eine Ausnahme macht das aktuelle Relief „Limbo“ mit dem Neon-Schriftzug „We take care of your sex“. Ein zweifelhaftes Versprechen in einer Gesellschaft, die „laut Peter Sloterdijk versucht, den Menschen als Libidobündel abzurichten“, so Schmitz.

Mit seiner ausgewogenen Haltung sucht der Künstler die Balance zwischen Radikalität und Relativismus, betrachtet die Dinge gern aus verschiedenen und ungewöhnlichen Perspektiven. In seine Walk-in-Objekte, die Teil des Projekts „Spaces“ sind, können die Besucher regelrecht eintreten. Die Arbeiten sind meist trichterförmig, nach oben und unten offen und seitlich zu kippen. In ihnen sind die Besucher eingeschlossen, während sie in alle Richtungen den Himmel betrachten – eine fantasievolle und unbeschwerte Metapher für die Vereinzelung des Individuums. Erstmals war eine solche Arbeit 2004 auf der Busan Biennale in Südkorea zu sehen. Die Internationalen Biennalen in Peking und Kairo sowie die erste Landart Biennale in der Mongolei waren weitere Stationen. Asien hat Schmitz immer wieder elektrisiert, aber auch die arabische Kultur zapft er als Inspirationsquelle an. In dem gerade fertiggestellten Objekt „N° 5“ (25 000 Euro) reflektiert er die Arabeske in außergewöhnlicher Form und Dimension. Die netzartige, trichterförmige Konstruktion aus Nylon, Titan und Stahl ist 1,70 Meter hoch und hat einen Durchmesser von fünf Metern. Dennoch scheint sie federleicht im Raum zu schweben. Anders als bei den Plastiken geht Schmitz bei seinen Bildern weniger konzeptionell vor. Er macht keine Studien, sondern schaut, was passiert und versucht, dann noch einmal Einfluss zu nehmen: „Oft übermale ich die Fläche wieder oder gieße darauf Terpentin, das die Farben löst, bis ich an den Punkt komme, von dem ich sage: Das soll es sein.“ Als Betrachter spürt man, dass hier jemand mit Farben und Formen so lange gerungen hat, bis beide zu atmen beginnen. Carmen Gräf

Galerie Kai Hilgemann, Zimmerstr. 90/91; bis 23.4., Di-Sa 12-18 Uhr.

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