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Kunst und Markt: Sammlung Fried: Qualm und Nägel

Von Antes bis Warhol: Das Auktionshaus Ketterer zeigt Schätze aus der Sammlung Kurt Fried.

Es ist ganz einfach, die Sammlung von Kurt Fried zu bewundern. Fried hat Lucio Fontana und Gotthard Graubner gekauft, Robert Indiana und Donald Judd. Seine Erwerbungen führen einmal um die Welt, immer zu den großen Namen der Kunstgeschichte – aber mit Georg Karl Pfahler, Thomas Lenk oder Al Held auch in die Nischen.

Beide Pfade laufen derzeit bei Ketterer Kunst zusammen. Hierhin hat Simone Wiechers als Direktorin der Berliner Auktionshaus-Dependance einen kleinen Teil der Sammlung gebracht, die insgesamt über 400 Werke umfasst. Und schon dieser Querschnitt fällt beeindruckend aus. Man kennt die wandfüllende Arbeit „Great American Nude No. 98“ des Pop-Artisten Tom Wesselmann aus dem Museum Ludwig in Köln. Fried besitzt zwei kleine Studien in Öl dazu, die sicher jede Institution gern hätte. Der ehemalige Herausgeber und Chefredakteur der „Schwäbischen Donau-Zeitung“ aber hat sie dem Ulmer Museum vermacht: Drei Jahre vor seinem Tod 1981 übergab der Kunstliebhaber alle erworbenen Werke an die Stadt, in der er eine Zeit lang auch als Kulturbeauftragter gewirkt hatte.

Dabei war es keine Liebesgeschichte zwischen ihm und Ulm. Eher ein zäher Kampf, in dem Fried gegen den konservativen Geist seiner Mitbürger stritt und entnervt als Vorsitzender des Kunstvereins aufgab, als 1958 Hans Arp der öffentliche Auftrag für ein Relief abgesagt wurde. Dass ein lokaler Bildhauer den Zuschlag erhielt, mag Fried schon provinziell erschienen sein. Dass jedoch zusätzlich die Debatte um Arp, den deutsch-französischen Künstler, fremdenfeindliche Züge annahm, gab dem weltoffenen Journalisten den Rest. Kurt Fried machte sein eigenes Haus zu einem Ausstellungsort und nannte das Domizil „studio f“. Hier zeigte er Ausstellungen mit Friedrich Vordemberge- Gildewart, Horst Antes oder Wolf Vostell, führte persönlich durch die Schauen der Galerie – und war offenbar sein bester Kunde.

Die Stadt hat Glück mit diesem Vermächtnis

Was für ein Glück die Stadt mit diesem Vermächtnis hat, wird in der Schau offensichtlich. „Westberlin“ von Rainer Fetting aus dem Jahr 1978 ist eine spektakuläre nächtliche Stadtlandschaft und das „Kissenbild“ von Gotthard Graubner nicht irgendeines seiner Farbe atmenden, dreidimensionalen Gemälde. Die 1966 entstandene Arbeit zeigt ein weißes Kissen unter transparenter Bespannung. Der Betrachter sieht bis auf den Grund und erkennt gleichsam Graubners Arbeitsprinzip. Fried besitzt in diesem Sinn ein grundlegendes Bild des abstrakten Malers.

So geht es weiter im Parcours durch das 20. Jahrhundert. Stationen sind die charakteristischen „Squares“ von Josef Albers – hier in abgestuftem Orange – neben einem roten Quadrat von Max Bill und die feinen, von Hand gezogenen Streifen auf dem Gemälde „Golden Sky“ von Agnes Martin unweit der Hard-Edge-Malerei eines Kenneth Noland. Beide stammen aus den sechziger Jahren und laden ein zum Vergleich etwa mit „KL-D/3“, einer betörend strengen, stark farbigen Abstraktion von Pfahler. Von Mark Rothko hängt ein unbetiteltes atmosphärisches Bild neben senkrechten Streifen von Morris Louis, und es liegt nahe, die Kombination der beiden als Vergleich zu lesen – wie unterschiedlich die reine Arbeit mit Farbe ausfallen kann. Im Kabinett von Ketterer Kunst findet sich eine gekreuzigte Figur, die der US-amerikanische Künstler Keith Haring in seiner typischen Graffiti-Manier zum Comic umdeutet. Und gegenüber ein Ensemble aus Strichmännchen, die A. R. Penck im Jahr seiner Ausbürgerung aus der DDR arrangierte. Formale Ähnlichkeiten, die zeigen, wie global die Strömungen der Kunst schon in den achtziger Jahren waren.

Fried erkannte die Qualität von Piene und Uecker

Fried hat in alle Richtungen geschaut, die Fotos seiner Eröffnungen sind geknipste Dokumente einer metropolitanen Offenheit. Ein Geschenk an die Stadt, die Fried ihrerseits Impulse gab durch die legendäre Hochschule für Gestaltung, an der unter anderem Bill und Vordemberge-Gildewart lehrten. Zeitgenossen beschreiben den studierten Germanisten, Archäologen und Theaterwissenschaftler als „weniger systematisch als impulsiv, leidenschaftlich“ und „manchmal bewusst provozierend“. Fried erkannte die Qualität von Zero- Künstlern wie Otto Piene oder Günther Uecker, während andere zur selben Zeit kaum mehr als Nägel, Qualm und Farbe sahen. Werke von Malern wie Paul Klee oder Max Ernst, die ebenfalls in der Sammlung vertreten sind, mögen schon damals begehrt gewesen sein. Fried aber hatte den untrüglichen Instinkt für die wichtigen Positionen von morgen.

Hier knüpft die Ausstellung an die Arbeit des Auktionshauses an, das solche blue chips liebend gern unterm Hammer hat – wenn sie verkäuflich sind. Hier wird aber auch klar, weshalb man Kurt Fried in doppelter Hinsicht bewundern muss. Er hat gekauft, bevor sich die Bedeutung jener Künstler manifestierte, die heute auf dem Kunstmarkt Millionen bringen. Spekulation interessierte ihn nicht, weder bei Gerhard Richter noch im Fall von Roy Lichtenstein oder Elsworth Kelly, von denen er sagenhaft gute Arbeiten besitzt. Weil Fried die Wahl hatte, als er sich auf seinen individuellen Geschmack als Kompass verließ. Es tut gut, wenn Ketterer Kunst mit dieser sehenswerten Schau an eine Tatsache erinnert, die so banal wie elementar ist. Sammeln erschöpft sich nicht darin, die Hand zu heben, während vorn am Pult einer bis drei zählt.

Ketterer Kunst Berlin, Fasanenstr. 70; bis 27.9., Mo–Fr von 10–18, Sa von 11–16 Uhr

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