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Das Museum Orangerie in Paris, wo vor 40 Jahren die Ausstellung „Deutsche Malerei in der Epoche der Romantik“ stattfand.

© dpa / picture alliance

Kunst während der deutsch-deutschen Teilung: Sehnsuchtsziel Paris

Eine Erinnerung daran, wie kostbar das heute Selbstverständliche ist. Vor 40 Jahren kamen in Paris Gemälde deutscher Romantiker zusammen - aus Ost und West.

Gerade wurde in Berlin eine Ausstellung im Bode-Museum eröffnet, mit einer wertvollen Leihgabe aus der Eremitage von St. Petersburg. Darüber staunen wir nicht einmal. Es ist so selbstverständlich, dass der Kulturaustausch ungeachtet politischer Turbulenzen „funktioniert“, dass wir uns kaum vorstellen können, wie es vor 40 Jahren war. 1976 reisten Berliner – West-Berliner – nach Paris, um ab dem 25. Oktober ein berühmtes, aber nie mit eigenen Augen geschautes Gemälde aus dem damaligen Leningrad sehen zu können: „Auf dem Segler“ von Caspar David Friedrich, 1819 gemalt, bereits im folgenden Jahr vom russischen Zaren erworben und in dessen Residenz Peterhof – mit deutschem Namen! – untergebracht, ehe es nach den fürchterlichen Verwüstungen der deutschen Wehrmacht 1945 in die Eremitage kam.

Nach Paris wurde das Gemälde ausgeliehen, zur Ausstellung „Deutsche Malerei in der Epoche der Romantik“ in der Orangerie. Da trafen sich etliche Friedrich-Bilder, die seit dem Weltkrieg nie gemeinsam zu sehen waren: aus Hamburg das „Eismeer“, aus der (West-)Berliner Nationalgalerie der „Mondaufgang am Meer“, aus dem Potsdamer Charlottenhof die „Ansicht eines Hafens“ und aus Schloss Charlottenburg der „Morgen im Riesengebirge“. 255 Gemälde und Zeichnungen kamen zusammen. Kein Museum wollte abseits stehen. Nur: Es war die Zeit des Kalten Krieges, als östlicherseits jedweder Verkehr, jede noch so geringe Berührung mit der in West-Berlin ansässigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz untersagt war; und umgekehrt waren West-Berliner Ausleihen in östliche Gefilde aus Furcht vor Beschlagnahmung ausgeschlossen. Nur in Paris konnte Gemeinsamkeit geübt werden.  Der alte Ruf der „Welthauptstadt der Kunst“ tat seine Wirkung.

Ein Fest für Kunstfreunde

Die Ausstellung bedeutete einen Meilenstein der Kunstwissenschaft und war ein Fest für Kunstfreunde. Sie legte zugleich eine Fährte, die damals überhaupt nicht zu erkennen war: die zur deutschen Wiedervereinigung. Denn sie zeigte, dass es eine deutsche Kultur gegeben hatte, die keiner jener Grenzen folgte, die es zur Zeit der Romantik reichlich gab und sich auch den Abgrenzungen der Blockteilung nicht fügen wollte. Was aus Charlottenhof und Charlottenburg kam, entsprang demselben Sammeleifer des preußischen Königs, was aus Leningrad kam, dem seines russischen Zeitgenossen und Freundes.

Dem französischen Publikum öffnete es die Augen für ein übersehenes Kunstgebiet, und es knüpfte an Vergessenes an. Erst als der Pariser Louvre im Jahr 2013 die umstrittene Ausstellung „Über Deutschland“ veranstaltete, erinnerte schon der bei Madame de Staël entliehene Titel daran, dass es einmal eine große französische Neugier auf Nachbars Lande gegeben hatte.

1976 war die Ausstellung in der Orangerie ein Lichtblick – und ein Versprechen darauf, dass die Verhältnisse nicht ewig so bleiben würden. Sie blieben es auch nicht. 13 Jahre danach fiel der Eiserne Vorhang, und 40 Jahre später müssen wir weit zurückgehen, um daran zu erinnern, wie kostbar das heute Selbstverständliche ist.

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