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Kultur: Kunsthaus Lempertz: Das Auge als Fenster zur Welt: Neue Fotos von Michael Reutz

Fenster öffnen nicht nur dem Auge, sondern auch der Phantasie einen Raum: Hinter Glas verwandelt sich die Welt in eine Bühne, und wie von einem Logenplatz aus kann der Zuschauer das Drama des Alltags verfolgen, das hier gegeben wird. Nicht umsonst hocken in den Großstädten viele alte Menschen mit einem Kissen unter dem Arm in den Brüstungen ihrer Fenster und starren stundenlang hinab auf die Straße.

Fenster öffnen nicht nur dem Auge, sondern auch der Phantasie einen Raum: Hinter Glas verwandelt sich die Welt in eine Bühne, und wie von einem Logenplatz aus kann der Zuschauer das Drama des Alltags verfolgen, das hier gegeben wird. Nicht umsonst hocken in den Großstädten viele alte Menschen mit einem Kissen unter dem Arm in den Brüstungen ihrer Fenster und starren stundenlang hinab auf die Straße. Was sie zu sehen kriegen, ist besser als jedes Fernsehprogramm. Auch Michael Ruetz ist ein solcher Fenstergucker. Seit über dreißig Jahren macht der Fotograf, der als Chronist der 68er-Bewegung bekannt geworden ist, immer wieder Bilder, auf denen Fenster als Übergänge zwischen Innen- und Außenwelt erscheinen. Ein Fenster ist für ihn - im Wortsinn - ein Ort der Weltanschauung: "Das Fenster ist die Folie, die uns die Wirklichkeit verheißt und zugleich vorenthält. Es weist hinaus und hält uns dennoch innen fest." Achtundachtzig Fenster-Aufnahmen hat Ruetz in seiner Werkgruppe "WindAuge" zusammengefasst, die derzeit in der Berliner Dependance des Kölner Kunsthauses Lempertz zu sehen ist. Der Titel übersetzt das englische Wort window zurück ins Deutsche und steht, wie Ruetz in dem Begleitbuch (Steidl Verlag, 116 Seiten, 38 DM) schreibt, "für alles, was das Fenster außer einer Öffnung in der Wand noch sein kann". So hat Ruetz etwa auch Joseph Beuys abgelichtet, der im Fernsehen - dem Fenster zur Welt des Medienzeitalters - "Raumschiff Enterprise" guckt. Viele seiner Fotos sind komplizierte Bild-im-Bild-Arrangements, halb Interieur, halb Landschaftsvedute. Bei der Windschutzscheibenansicht einer gemütlich grasenden Giraffen-Gruppe macht der Blick in den Rückspiegel klar, dass wir uns statt in einem afrikanischen Abenteuer im touristischen Stau befinden. Und das Foto, das die Tochter des Fotografen mit einer Möwe zeigt, wirkt wie ein Standbild aus einem noch zu drehenden Film. Vielleicht ist es ja der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

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