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Kunstmarkt: Hirst malt jetzt wieder selbst

Am Tag, als die Lehman Brothers Bank in Konkurs ging, erzielte Kunst von Damien Hirst noch einmal Rekordpreise. Die Experten der Auktionshäuser blicken verhalten optimistisch in die nächste Saison.

War 2008 das Jahr, in dem die Kunst, aus Überschwang oder Investorenkalkül, zum internationalen Finanzinstrument wurde und Umsatz machte, als Banken und Finanzsysteme schon zusammenbrachen? Oder das Jahr, in dem langsam, aber unüberhörbar, die Luft aus einer Blase zischte? „Ich bin keine Wahrsagerin“, meint darauf Sotheby’s Chefspezialistin Cheyenne Westphal in ihrem modernen Glaskastenbüro in London. „Ich weiß nicht, ob es eine vorübergehende Korrektur ist oder ob eine lange Phase der Marktschwäche kommt. Aber bei uns werden jeden Monat noch Hunderte von Millionen in Kunst investiert.“

An den Aston Martins und Bentleys in der Bond Street vorbei ins Hauptquartier von Christie’s, dem zweiten globalen Auktionsgiganten. Hauptgeschäftsführer Ed Dolman kommt eben aus Hongkong und ist erstaunt, „dass Geld immer noch auf Höchstniveau in die Kunst fließt“. Auf dem Papier sah das Ergebnis der Hongkong-Auktionen für aktuelle Kunst nicht ganz so gut aus. „Aber wir nahmen bei den Auktionen 165 Millionen Dollar ein. Vor vier Jahren waren es noch 50 Millionen.“

Westphals Londoner Abendauktion mit zeitgenössischer Kunst spielte im Februar 95 Mio. Pfund ein – absoluter Rekord. Topwerke von Gerhard Richter und Lucio Fontana verdoppelten die Rekordpreise. „Unsere Schätzungen gelten nicht mehr“, kommentierte sie fast schockiert. Dann bezahlte der russische Multimilliardär Roman Abramowitsch, ein Neuling am Kunstmarkt, in New York 33 Mio. Dollar für eine Arbeit von Lucian Freud und 86 Mio. Dollar für ein Triptychon Francis Bacons. Vielleicht kein schlechter Schachzug. Als im September die Krise richtig begann, krachte es an der Moskauer Börse, und Abramowitsch verlor ein paar Milliarden. Doch im September kam die Wende. Noch einmal tanzten die Sammler um das goldene Kalb – Künstler Damien Hirst brachte in London Kunst für 112 Millionen Pfund an den Mann, ausgerechnet an dem Tag, als die Lehmann Brothers Bank in Konkurs ging. Dann bekam die Kunstwelt Angst vor der eigenen Courage.

Doch am Ende ist der Kunstmarkt deshalb lange nicht. Es sei die Wirtschaft, nicht irgendetwas Irrationales im Kunstmarkt, betont Dolman und skizziert, wie es weitergehen könnte. Er wird ein paar Leute entlassen, um die Kostenbasis anzupassen, denn Umsätze und Profite werden schrumpfen, weil in den Auktionen weniger angeboten wird. Man will erst wissen, wohin die Preise gehen. Die Schätzungen werden deutlich gesenkt. „Aber wir werden einige starke Auktionen haben und das Vertrauen für den Aufschwung 2010 und 2011 wieder herstellen.“ Dolman hält sich an Fundamentaldaten: Die Nachfrage nach Kunst bleibt global und wächst. Und das Interesse an zeitgenössischer Kunst wir nicht nachlassen. Höchstpreise für Spitzenkunst, einmal etabliert, „bleiben robust“. Als Christie’s 1987 van Goghs Sonnenblumen für 22 Mio. Pfund versteigerte, hielt die Welt den Atem an. „Heute sieht das billig aus. Ein solcher van Gogh würde einen sehr, sehr hohen Preis bringen.“

„Volumenkunst“, das Marktfutter von Großproduzenten wie Warhol, Gerhard Richter, Damien Hirst oder dem noch gar nicht richtig etablierten Anselm Reyle muss billiger werden. Aber wenn Philippe Niarchos sein für 70 Mio. Dollar ersteigertes Bild „Green Car Crash“ von Andy Warhol verkaufen müsste, wäre das kein Problem. Eine Preisgarantie würde er, Dolman, ihm nicht geben. Aber er ist sicher, dass er das Bild in einem Direktverkauf in der globalen Kundschaft hinter den Kulissen „ziemlich nahe dem Einkaufspreis“ platzieren könnte. „Die Wertbeständigkeit großer Kunst ist gesichert.“ Westphal denkt zurück an den letzten Crash. Bis in die neunziger Jahr waren die Auktionen vom Pariser Informel bestimmt – Fautrier, Dubuffet, Soulages. Dann kamen Warhol, Fontana, Richter und Bacon hoch und die Franzosen wurden vergessen. Jetzt im Dezember in einer Pariser Auktion scheiterte ein Bacon und es gab einen Rekordpreis für Soulages.

Wird ein Geschmackswechsel den Markt auf Trab bringen? „Ich könnte mir denken, dass der Maler vor seiner Leinwand wieder mehr in den Mittelpunkt rückt“, sinniert Westphal. Wehe dem, der in ein Spin-Painting von Hirst investiert hat! Der Künstler hat ihre Produktion eingestellt, Leute aus seiner Malerfabrik entlassen und fordert, nachdem er genug verdient hat, Kunst müsse billiger werden. „Damien malt jetzt viel selber. Er bereitet sich innerlich auf einen neuen Weg vor“, erzählt Westphal. So stürzen die Preise, und der Kunstmarkt lebt.

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