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Junge Männer mit russischen Buchstaben auf den nackten Oberkörper gemalt

© Marina Gisich Gallery

Kunstmesse Cosmoscow: Mission Moskau

Russische Sammler sind scheu und anspruchsvoll. Entsprechend ambitioniert ist die junge Messe Cosmoscow, die eine Plattform vor allem für junge russische Künstler aufbauen will.

Die Halle ist prachtvoll, eine riesige Markthalle, Gostiny Dvor nahe dem Roten Platz, mit Freitreppe, neoklassizistischen Säulengängen und Glasdach, inzwischen ständig ausgebuchte Event-Location für Partys und Modenschauen. Weshalb das Datum der Cosmoscow, die sich als einzige internationale zeitgenössische Messe Russlands beschreibt, nicht hundertprozentig mit anstehenden Großereignissen in der russischen Metropole übereinstimmt, so der Eröffnung der Moskau Biennale am 22. September und der Preview einen Tag später der aus München weitergewanderten Louise-Bourgeois-Ausstellung in Dasha Zhukovas Garage-Museum im Gorky Park.

Doch die Messe ist jung. Gründungsdirektorin und Kunsthistorikerin Margarita Pushkina strukturierte sie 2014 mit ihrer neuen Partnerin, der Ökonomin Sandra Nedvetskaia um. Klein und fein, mit 34 Galerien, von denen nur vier nicht russische Wurzeln haben, versucht die Messe im Boutiqueformat, „eine Plattform für junge russische Künstler zu etablieren und den zeitgenössischen Markt zu entwickeln“, so Margarita Pushkina.

Dieser ist eine noch zarte Pflanze, hört man Dmitry Khankin zu, dem Besitzer der Triumph Galerie, der an seinem Stand eine Soloshow mit Gemälden des 1982 geborenen deutschen Malers Kristof Meyer präsentiert (3000-9000 €). „Wichtige Galerien haben geschlossen, es gibt zu wenige Sammler und zu wenige qualifizierte Kunstbetrachter“, so der Händler, der in seiner Galerie gegenüber angeblich 45 Projekte pro Jahr realisiert. Solcher Skepsis steht der Optimismus anderer Händler wie dem aus Madrid mit kleinformatigen Werken von Alex Katz (45000-65000 $) angereisten Javier Lopéz entgegen, der letztes Jahr nichts verkaufte und darauf setzt, für Durchhaltevermögen belohnt zu werden.

Messe veranstaltet Wohltätigkeitsauktion

Eine weitere Großgalerie, Blain Southern, hat die Lichtskulptur „Toxic Schizophrenia“ eines rot funkelnden, von einem Dolch durchbohrten Herzens mitgebracht, eine millionenschwere Ikone der britischen Künstler Tim Noble und Sue Webster, die im Mittelgang unweigerlich alle Blicke auf sich zieht. Das unvermeidliche Signature Piece, das jede Messe braucht, ist gleichzeitig eine Art Symbol für zusätzliche Aktivitäten, mit denen sich die Messe profilieren will, speziell der Wohltätigkeitsauktion „Off White“, deren zwanzig am Previewabend versteigerte Lose der Naked Heart Foundation von Natalia Vodianova, Supermodel und Ehefrau von Antoine Arnault, zugutekommen. Die Stiftung der sympathischen vierfachen Mutter baut in Russland Spielplätze und unterstützt behinderte Kinder - und hier vernetzen sich die Fäden, aus denen Messen heute wohl geknüpft werden müssen. So wurde die Auktion von Sandra Nedvetskaias Mann Andreas Rumbler, einem Topversteigerer des Hauses Christies, durchgeführt. Sie brachte rund 170 000 Euro - respektabel, wenn auch eher müde von der anwesenden Society beklatscht.

Was sind die Zutaten einer funktionierenden Messe? Zusätzlich zur Qualität der Händler und ihrer Werke ist es dieser Glamourfaktor einflussreicher Strippenzieher, außerdem Sponsoren, von denen die Messedirektoren eine bemerkenswerte Anzahl gewonnen haben, die sie gleich am Eingang auf einer Tafel listen.

Auch in Russland gibt es Sammler

Doch noch wichtiger sind die Sammler. „Es gibt sie auch in Russland“, versichert Olga Vashchilina, die mit einigen arbeitet, doch seien sie scheu und ließen sich nicht gerne beraten. „Man muss sie langsam an die zeitgenössischen Künstler heranführen.“ Dafür kuratierte sie mit ausgewählten Werken aus Privatsammlungen eine Spezialschau, die unter anderem Werke von Georg Baselitz, Cindy Sherman oder Mark Grotjahn versammelt und sie mit russischen Vintagemöbeln der fünfziger Jahre kombiniert.

Die günstigsten Arbeiten der Messe kosten etwa 1000, die teuersten eine Million Dollar; zu ihnen zählt eine monumentale Leinwand von Evgeny Chubarov, die Gary Tatintsian als einer der international agierenden Moskauer Händler zeigt. Der vor drei Jahren verstorbene Künstler ist eine Entdeckung auf der Cosmoscow, ebenso der 1970 geborene Kerim Ragimov bei der St. Petersburger Galerie von Marina Gisich. Ragimov, dessen Arbeiten auch Elton John sammelt, reproduziert signifikante Motive aus dem Internet in extrem realistischer Malweise auf Leinwand. Er ist ein Post-Pop-Art-Künstler des Informationszeitalters, der mit seinem als Serie angelegten „Human project“ Schicksale der Globalisierung porträtiert.

Eva Karcher

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