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Kultur: Kunstmetropole Berlin: Künstlernomaden

Jedes Jahr das gleiche Theater: Während Berlin sich mit seinem Kunstherbst ins Rampenlicht der weltweiten Kunstöffentlichkeit zu setzen meint, stellt sich nach dem Verrauschen der Feste und dem Ausklang der Ausstellungseröffnungen wieder die bange Frage: Ist Berlin nun ein Stück mehr Kunstmetropole geworden? Eine der wenigen Rahmenveranstaltungen des Kunstherbstes, die Berlin nicht als Nabel der Kunstwelt positionieren wollte, war eine Diskussionsrunde im Büro Friedrich, eine der agilsten und unabhängigsten Kunstinstitutionen der Stadt.

Jedes Jahr das gleiche Theater: Während Berlin sich mit seinem Kunstherbst ins Rampenlicht der weltweiten Kunstöffentlichkeit zu setzen meint, stellt sich nach dem Verrauschen der Feste und dem Ausklang der Ausstellungseröffnungen wieder die bange Frage: Ist Berlin nun ein Stück mehr Kunstmetropole geworden? Eine der wenigen Rahmenveranstaltungen des Kunstherbstes, die Berlin nicht als Nabel der Kunstwelt positionieren wollte, war eine Diskussionsrunde im Büro Friedrich, eine der agilsten und unabhängigsten Kunstinstitutionen der Stadt. Bürochef Waling Boers hatte Gäste geladen, um mit ihnen die Position der transnationalen Austauschprogramme zu debattieren. Angesichts einer Situation, in der die Künstlerhäuser drohen zu Reisebüros der zunehmend kosmopolitisch agierenden Künstler zu werden, galt es Strategien und Gegenstrategien auszutauschen.

Während der Niederländer Boers sich in seinem - ebenfalls mit holländischem Geld finanzierten - Büro Friedrich den Ruf einhandelte, alles auszustellen außer holländischer Kunst, konnten auch die anderen Gäste in Sachen Vernetzungskompetenz bei Austauschprogrammen einen Namen vorweisen: Daniel Birnbaum, Leiter des Stockholmer Artist-in-Residence-Programms IASPIS und designierter Nachfolger von Kaspar König als Direktor der Frankfurter Städel-Akademie, Saskia Bos, Direktorin der Amsterdamer De Appel Stiftung und nächste Kuratorin der zweiten Berlin-Biennale im Frühjahr, die kanadische Künstlerin Nathalie Melikian, und als Berliner Besetzung Friedrich Meschede vom DAAD, sowie Christoph Tannert vom Künstlerhaus Bethanien. Meschede konstatierte eine zunehmende Zentralisierung der Kunstwelt; immer mehr Künstler verließen ihre Heimatländer um in immer weniger Metropolen ihre Kunst zu produzieren - was ihn allerdings nicht störte, solange alle im Rahmen seines Programms nach Berlin kämen und auch hier blieben. Christoph Tannert verteidigte den ortsungebundenen Anspruch im Künstlerhaus Bethanien: Hier müsse niemand etwas abliefern; eigentlich könnten die Künstler auch ihr Geld nehmen und gehen, wohin sie wollten. Auch Saskia Bos versucht, die Künstler weniger an die Stadt Amsterdam zu binden, als sie in ein internationales Netz einzuflechten. In diesem Sinne beschrieb Nathalie Melikian als einzige Künstlerin in der Diskussion die Wirkung eines Austauschprogramms auch weniger als touristisches Kennenlernen des Gastlandes, sondern mehr funktional als Wertsteigerung der Arbeit.

Die Diskussion hangelte sich an den neuen Phänomenen des Kunstbetriebes entlang, zu denen die Explosion der internationalen Biennalen und die zunehmende Globalisierung des Kunstmarktes genauso gehören, wie die ungebrochene Macht nationaler Institutionen oder die ständig um den Globus jettenden Kuratoren. Man war sich darüber einig, dass eine allgemeine Nomadisierung der Kunstwelt stattgefunden habe, bei der nur eines klar ist: Die Bedingungen des Kunstmachens haben sich in den letzten Jahren radikal verändert.

Knut Ebeling

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