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Kunstmuseum Cottbus: Kunst als Treibstoff

Ost- und Westkunst gleichberechtigt: Cottbus hat ein neues Museum - in einem alten Dieselkraftwerk.

Rotviolett glänzende Ziegelwände, eingebettet in leuchtendes Grün. Ein Park, ein Haus, davor ein Teich: Wer sich dem neuen Kunstmuseum Cottbus nähert, bemerkt erst auf den zweiten Blick, dass es sich um ein herausragendes Industriedenkmal handelt. Vom Amtsteich aus gesehen erinnert das 1926 – 1928 errichtete Dieselkraftwerk mit seinem dreischiffigen Schalthaus, dem schlanken Treppenturm und den Arkadengängen am Wasser entfernt an die Sacrower Heilandskirche. Aus einer Kathedrale der Energie und Arbeit ist in dreieinhalbjähriger Bauzeit ein Wallfahrtsort für Kunst geworden.

Die südbrandenburgische Hunderttausend-Einwohner-Stadt Cottbus kann – nach dem Leipziger Museum der bildenden Künste und dem Museum Gunzenhauser in Chemnitz – mit dem wohl spektakulärsten neuen Kunstmuseum Ostdeutschlands punkten. „Ein Traum ist wahr geworden“, schwärmt Oberbürgermeister Frank Szymanski. Als ehemaliger Brandenburger Minister für Stadtentwicklung und Infrastruktur hat er sich für das lokale Museumswunder stark gemacht. Von der vorbildlich schlanken Sanierungssumme von 8,1 Millionen Euro kam über die Hälfte aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung, 1,2 Millionen von der Kommune.

Entstanden ist ein Museumstraumschloss in der Provinz. Mit Ausstellungsräumen, schöner als alles, was die Landeshauptstadt Potsdam für moderne und zeitgenössische Kunst zu bieten hat, so Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka bei der Eröffnungspressekonferenz. Und, da war Museumsdirektorin Perdita von Kraft charmant-unerbittlich, klimatisch und sicherheitstechnisch fit für den internationalen Leihverkehr. Künftig werden Kunstbegeisterte regelmäßig nach Cottbus fahren.

Allein das sorgsam umgebaute Haus ist die Anreise wert. Das Berliner Büro Anderhalten Architekten, bekannt durch intelligente Umnutzungen wie beim Berliner Marstall für die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, hat in Cottbus sein Meisterstück geliefert. Es ist eine Hommage an Werner Issel, der das Dieselkraftwerk zur zusätzlichen Stromversorgung des Cottbuser Stadtnetzes konzipiert hat. Issel, Jahrgang 1884, hat etwa 80 Kraftwerke entworfen, darunter das Berliner Großkraftwerk Klingenberg, ein Meilenstein der IndustrieModerne. Die Cottbuser Anlage, in der einst ein 1450-PSDieselmotor tuckerte und der Treibstoff per Traktor angeliefert werden musste, gehört zu seinen kleinsten Projekten. Und doch ist die in der Nachkriegszeit stillgelegte und bis in die neunziger Jahre als Werkstatt genutzte Anlage große Architektur: feinster norddeutscher Backsteinexpressionismus.

Um die von den Museumsleuten geforderten White Cubes installieren zu können, entwickelten die Architekten ein Haus-im-Haus-Prinzip. Im größten Gebäudeteil, dem Maschinenhaus, platzierten sie auf zwei Ebenen drei Sonderausstellungssäle. Als freistehende Betonkuben lassen sie einen Umgang zu den historischen, innen mit türkisgrünen Fliesen verkleideten Wänden des Altbaus frei. Die ständige Sammlung wird im Schalterhaus in Räumen gezeigt, für die man den alten Grundriss bewahren konnte. Zum neuen Zentrum wurde der durch ein Glasdach zum Foyer umgewandelte Wirtschaftshof. Nach Süden öffnen sich vier neue, vom Berliner Künstler Paco Knöller gestaltete gläserne Eingangstüren.

Knöller bestreitet mit vier riesigen Holzschnitten, wahren Farbfanfaren, auch die erste Ausstellung im neuen Haus. Drumherum haben Perdita von Kraft und ihre Mitarbeiter Neuerwerbungen und alte Schätze arrangiert. Cottbus ist 1977 als drittes und letztes Kunstmuseum der DDR – nach Frankfurt/Oder und Rostock – gegründet worden. Von Anbeginn auf Fotografie und Plakatkunst spezialisiert, ist bereits zu DDR-Zeiten im Windschatten der Kunstzentren Berlin, Leipzig und Dresden eine bemerkenswerte Kollektion entstanden. Die aus dem Rheinland stammende Perdita von Kraft hat sie in den neunziger Jahren klug um die Themen Landschaftsraum und Umwelt ergänzt. Und selbstverständlich Werke von West-Künstlern gekauft.

Cottbus will keinen repräsentativen Überblick bieten. Bemerkenswert gelungen ist allerdings, woran man an der Berliner Nationalgalerie jahrelang herumexperimentiert hat: die gleichberechtigte Gegenüberstellung von Ost- und Westkunst. Wunderbar, wie der Obermelancholiker Peter Herrmann sein West-Pendant Norbert Schwontkowski findet. Oder wie sich die Dresdner Alt-Abstrakten Karl-Heinz Adler und Günther Hornig mit dem NeuBrandenburger Johannes Geccelli verbünden. Das ist Energie. Kunst als Kraftstoff.

Cottbus, Uferstraße/ Am Amtsteich 15. Ab 8. 5., 14.30 Uhr, fürs Publikum geöffnet. Museumsführer (Prestel) 9,90 Euro; Falk Jaeger (Hg.): Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus (Jovis Verlag) 20 Euro.

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