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Drei umworbene Damen. Die Sphinx von Hattuscha soll in die Türkei zurück.

© bpk / Vorderasiatisches Museum,

Kunstschätze: Die geheimnisvolle Heimkehrerin

Einige der größten Schätze Berliner Museen stammen aus dem Ausland. Manche Objekte sind sogar hart umkämpft. Die Sphinx von Hattuscha ist so ein begehrtes Objekt. Jetzt soll sie offenbar an die Türkei zurückgegeben werden.

Die Türkei fordert die Sphinx von Hattuscha zurück, einen Kunstschatz aus dem Vorderasiatischen Museum in Berlin. Nun mehren sich die Hinweise, dass die im Pergamon-Museum ausgestellte Skulptur aus dem 14./13. Jahrhundert vor Christus tatsächlich zurückgegeben wird. Das Auswärtige Amt teilt mit, dass mit der Türkei bereits Expertengespräche vereinbart worden seien. „Ergebnisse gibt es wahrscheinlich noch im ersten Halbjahr“, sagt eine Sprecherin. Aus dem Haus des Kulturstaatsministers Bernd Neumann heißt es, man arbeite an einer einvernehmlichen Lösung mit der Türkei – und dies kann nur Rückgabe heißen. Denn anders als bei den ägyptischen Forderungen zur Rückgabe der Nofretete wird der Türkei von niemandem eine klare Absage erteilt.

Noch Ende Januar hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann das Ansinnen des Generalsekretärs der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, die ägyptische Königin, Herzstück und Publikumsmagnet des Neuen Museums, nach Kairo zurückzuholen, unmissverständlich zurückgewiesen. Auch Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in deren Besitz die Büste ist, sagte deutlich, seine Haltung in der Frage sei „unverändert“. Die Nofretete soll bleiben. Anders nun bei der Sphinx: Eine Sprecherin Parzingers möchte Anfragen des Tagesspiegel nicht beantworten, sie verweist lediglich auf das zuständige Auswärtige Amt. Die Staatlichen Museen wiederum verweisen auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der sie gehören. Die Schweigsamkeit lässt sich als Zeichen dafür werten, dass es bei den Museumsleuten die Bereitschaft gibt, die steinerne Figur der Türkei zurückzugeben. Jedenfalls stellt sich keiner dagegen. Eine Entscheidung treffen müssen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Bundesministerium für Kultur und Medien.

Anders als bei Nofretete ist die Aktenlage bei der Sphinx von Hattuscha eindeutig. 1915 hatten sie deutsche Forscher in Fragmenten nach Berlin gebracht; nach der Restaurierung sollte sie zurück. Doch die Sphinx blieb und wurde in den 30er Jahren inventarisiert. Die Türkei hat also berechtigte Gründe, sie zurückzufordern. Schon zwei Mal hatte das Land dies laut Auswärtigem Amt versucht, in den Jahren 1938 und 1975.

In vielen Museen der Welt befinden sich archäologische Schätze mit strittiger Vergangenheit, auch in Berlin. Eines der Highlights der gerade eröffneten Antikensammlung im Alten Museum ist die „Thronende Göttin von Tarent“, ein marmornes Frauenbildnis aus Italien, entstanden um 450 v. Chr. 1924 tauchte die Schöne in einem Pariser Kunsthandel auf und gelangte von dort nach Berlin. Offensichtlich stammte sie aus einer Raubgrabung. Für Italien ist es ein schmerzhafter Verlust, das Objekt nicht in einem der eigenen Museen präsentieren zu können. Bisher jedoch zeigt sich das Land gelassen und fordert die Göttin von den Berlinern nicht zurück. Das Vergehen ist inzwischen verjährt. Auch wenn Deutschland keine Angst haben muss, dass die Reisende nicht zurückkehren würde, kommt eine Ausleihe nicht in Frage. Das Objekt ist zu fragil.

Die Staatlichen Museen zu Berlin folgen seit 1988 einem selbst auferlegten Reglement: Es werden keine Objekte mehr angekauft, deren Herkunft nicht eindeutig belegt ist. Außerdem hat man sich in Europa darauf geeinigt, alle nach 1970 illegal ausgegrabenen Kunstwerke als Raubgrabungen zu betrachten – und folglich zurückzugeben.

Die Türkei verbindet ihre Forderung nach Rückgabe der Sphinx mit einer konkreten Drohung. Sollte die Bundesrepublik sie nicht bis Juni zurückgeben, würden dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) die Grabungslizenzen in Hattuscha entzogen (Tsp. v. 24.2.). „Hattuscha ist eins der zentralen Forschungsprojekte im Ausland“, sagte Felix Pirson, Leiter der DAI-Abteilung in Istanbul. Sollte dem Institut wirklich die Genehmigung abgesprochen werden, wäre das ein elementarer Verlust, so der Wissenschaftler. „Das Ansehen der deutschen Archäologie hängt davon ab.“ Pirson, seit 2005 in der Türkei, sieht sich zu Unrecht für eine Angelegenheit in Haftung genommen, die auf höchster politischer Ebene entschieden werden müsse. „Für uns ist das jetzt eine blöde Situation“, sagte er. Ärgerlich sei zudem, dass nun ein schlechtes Licht auf die Arbeit der deutschen Archäologen geworfen werde.

Der türkische Kulturminister, Ertugrul Günay, wirft dem DAI vor, seiner Arbeit nicht ordentlich nachzugehen. In Hattuscha sollen seit Jahren keine größeren Restaurierungsarbeiten durchgeführt, Schutz und Erhaltung der Anlage vernachlässigt worden sein. „Das kann ich so nicht stehen lassen“, entgegnete nun Pirson. 2006 habe man ein Teilstück der Stadtmauer wiederhergestellt und Besucherwege gebaut. Pirson wünscht sich einen schnelle Lösung der Causa Sphinx, damit sich das Verhältnis zum türkischen Kulturministerium wieder normalisiert.

Günay hatte im Tagesspiegel außerdem angekündigt, dass die Türkei keine Leihgaben zur großen Berliner Pergamon-Ausstellung im Herbst beisteuern werde. Man wolle erst den guten Willen der anderen Seite sehen. Der Archäologe Martin Maischberger von der Berliner Antikensammlung sagte am Rande der Eröffnung im Alten Museum am Mittwoch, man habe sich bereits darauf eingestellt, für die Ausstellung auch ohne Objekte aus der Türkei auszukommen. Die Schau würde sich auf Stücke der eigenen Sammlung und Exponate aus Italien stützen.

Der Fall der Sphinx ist so oder so delikat. Denn die Diskussion um die Nofretete kann er neu entfachen – mit welcher Begründung auch immer die Sphinx nach Hause geschickt wird.

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