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Schmuckstück im Architektur-Allerlei von Midtown. Das 2001 von den Architekten Tod Williams und Billie Tsien fertig gestellte American Folk Art Museum.

© Wojciech Adomas

Kunstszene New York: Streit um ein Filetgrundstück

Das New Yorker Museum of Modern Art hat 2011 das ehemalige Gebäude des American Folk Art Museum erworben. Es soll abgerissen werden, um einer MoMA-Erweiterung Platz zu machen. Doch es hagelt Kritik

Für viele New Yorker Kunstfreunde ist die Nachricht ein Schlag ins Gesicht: Trotz massiver Proteste hat das Museum of Modern Art vergangene Woche beschlossen, das ehemalige Gebäude des American Folk Art Museum abzureißen. Es liegt an der 53. Straße, grenzt an das MoMA und gehört der Institution seit 2011, als das American Folk Art Museum aus finanziellen Gründen das Haus verkaufen und in den Süden der Stadt umziehen musste. Jetzt soll der bronzefarbene Bau, der erst 2001 von den Architekten Tod Williams und Billie Tsien fertiggestellt wurde, weg. Auf dem Gelände soll ein MoMA-Erweiterungskomplex entstehen, um Platz zu schaffen für neue Veranstaltungs- und Ausstellungsräume.

Die Treuhänder des MoMA haben sich damit über die Bedenken vieler Architekturexperten hinweggesetzt. Nachdem im vergangenen Jahr die Pläne öffentlich wurden, hagelte es sowohl aus Wissenschaftskreisen als auch von New Yorker Bürgerinitiativen Kritik. Immerhin gilt der momentan leer stehende, skurrile Bau als architektonisches Schmuckstück in einer ansonsten von langweiligen Wolkenkratzern geprägten Midtown. Zudem bildet das schmale Gebäude einen charmanten Gegensatz zu der schwarzen, etwas unterkühlt wirkenden Haupthalle des MoMA, die 2003 nach Entwürfen des Japaners Yoshio Taniguchi errichtet wurde.

Die Treuhänder des Museums verfolgen, so sind sich viele Beobachter einig, eine Kommerzialisierungsstrategie: Der Neubau soll nicht unbedingt den dringend benötigten Platz schaffen für die vielen Kunstwerke, die im Depot verstauben, vor allem Gemälde, die vor 1980 erworben wurden. Die Erweiterung soll vielmehr als Besuchertempel für spektakuläre Events herhalten. Mit dem Ziel, noch mehr zahlende Besucher zu erreichen.

Die Verantwortlichen wollen Veranstaltungen nach Manhattan holen, die momentan vor allem in dem beliebten PS1-Museumsgebäude in Queens stattfinden. Außerdem soll der Skulpturengarten an der 54. Straße der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden. Auch das hat zu Irritationen geführt: Immerhin gilt der Garten als Refugium in einem Teil der Stadt, in dem es immer enger wird. Viele New Yorker sehen ihre letzten Ruhebastionen in Gefahr.

Das für die Pläne verantwortliche Architekturbüro Diller Scofidio und Renfro muss sich jetzt öffentlich für die Abrisspläne rechtfertigen. Besonders die Kunstkritik ist erzürnt: „Mit dem Bau von geschmäcklerischen Mogelpackungen wie korridorartigen Galerien hinter Glasfassaden werden Sie Ihre wichtigste Klientel verprellen – die große und vielschichtige Kunstgemeinde. Das MoMA steht vor dem unwideruflichen, masochistischen und selbstzerstörerischen Schritt, sein eigentliches Ziel zu verraten“, schreibt der Kunstspezialist des „New York Magazine“, Jerry Saltz, in einem Beitrag, der auch im Magazin „Monopol“ veröffentlicht wurde. Er spricht sich gegen den Erweiterungsbau aus und warnt davor, dass aus dem Museum ein Rummelplatz werden könnte. Museumsdirektor Glenn D. Lowry sei nur an Besucherzahlen interessiert und würde sich nicht um seinen Kulturauftrag kümmern.

Schaut man sich die Entwürfe genauer an, muss man feststellen, dass die Kritik nicht unberechtigt ist. Die Logik des geplanten Baus gehorcht einer Popularisierungsidee: Auf zwei Stockwerken sollen Galerieräume entstehen, bei denen sich die Zuschauer gegenseitig beim Kunstgenuss zusehen können. Das MoMA will immer trendiger werden und riskiert damit seinen Ruf als seriöse Institution. Durch die geplante Neustrukturierung der Räume, so die Befürchtung, werde eine ernsthafte Auseinandersetzung mit komplexer Kunst unmöglich gemacht. Das Museum wolle sich vollends der Eventkultur verschreiben und ernsthaft Interessierte verprellen. Auch die Zahlen sprechen für diesen Verdacht: 40 000 Quadratmeter soll das MoMA durch den Neubau gewinnen, allerdings sind nur 38 Prozent der Fläche für Ausstellungsräume vorgesehen. Der Rest soll diversen Veranstaltungsräumen und einem pompösen Foyer Platz machen.

Und genau das ist das Problem: New York braucht nicht noch mehr Eventkultur, sondern Rückzugsräume, wo man sich Zeit nehmen kann, um dem Trubel der Großstadt zu entfliehen. Anstatt den Modetrends mit einem eigenen Konzept entgegenzutreten und eine mutige Entscheidung zu treffen, beugt sich das MoMA dem Leitgedanken des Massentourismus.

Am Ende zählen wachsende Besucherzahlen und Anpassung und nicht der künstlerische Anspruch. Der langweilige Entwurf für den Neubau ist ein Indiz dafür. Durch den Abriss des ehemaligen American Folk Art Museum wird New York einen jener Bauten verlieren, die die Metropole so interessant machen. Langsam versteht es jeder New Yorker: Die Vielfalt der Stadt ist in Gefahr.

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