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Erhebende Musik. Eine Szene aus „La Mélodie“: Nach der Schule übt Arnold (Alfred Renely) auf dem Dach das Geigenspiel.

© Prokino

La Mélodie, Voll verschleiert, Eine bretonische Liebe: Französische Komödien zu Weihnachten

Französische Komödien verbinden Humor mit sozialem Konflikt. Und sind allemal weihnachtstauglich. Über die Feiertage kommen gleich drei in die Kinos. Ein Überblick.

Von Andreas Busche

Nussknacker und Mäusekönig. Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Ein Weihnachtsmärchen. Bei den Titeln kann einem ganz schön nostalgisch zumute werden. Im Fernsehprogramm gehören sie traditionell zum Feiertagsrepertoire, immer wieder gern gesehene sind DEFA-Produktionen, Bill Murray als – frei nach Charles Dickens – Scrooge-Widergänger in „Die Geister, die ich rief“ oder die romantische Starkomödie „Tatsächlich ... Liebe“. Im Kino sieht das schon etwas anders aus, dort gehört die Ära des Weihnachtsmärchens langsam der Vergangenheit an. In diesem Jahrtausend läuteten meist „Harry Potter“ oder Tolkien-Verfilmungen die gesegnete Zeit ein. Und gerade brach „Star Wars – Die letzten Jedi“ (fast) alle Kassenrekorde. Weihnachten ist eben auch die Zeit des Konsums, besinnlich geht es in der Adventszeit an den Kinokassen schon lange nicht mehr zu.

Als kleiner Filmverleih muss man erfinderisch sein, um der geballten Markenmacht ein sinnstiftendes Angebot entgegenzusetzen. Allein „Star Wars“ blockt in Deutschland momentan gut 800 Kinoleinwände, dank Disneys rigider Knebelverträge bis in den Januar. Weihnachten ist daher jedes Jahr aufs Neue ein dankbarer Anlass, um ein paar der Filme in die Kinos zu bringen, die ihre ganzjährliche Festivaltour hinter sich gebracht haben, ohne dort großes Aufsehen zu erregen. Kultiviertes, gediegenes Wohlfühlkino für das stetig wachsende Silver-Ager-Segment der Kinogänger – deren Enkel sich mit den letzten Jedi-Rittern die Zeit vertreiben.

Die „französische Komödie“ ist fast ein eigenes Genre

Auch in diesem Jahr kündigt sich die Weihnachtszeit im Kinoprogramm an. Aber warum immer wieder die ollen Kamellen aufwärmen, wenn das gesellschaftliche Leben doch die schönsten Geschichten erzählt? Die frohe Botschaft der Nächstenliebe lässt sich auch säkular verpacken, die Themen Toleranz, Religion, soziale Gerechtigkeit und Familie stehen dieser Tage in den Top-10 der Leitartikler ohnehin ganz oben. Diese Art von Filmen – Humor mit einer Prise Drama, angereichert um einen sozialen Konflikt – heben sich deutsche Verleiher gern zum Jahresabschluss auf.

In Frankreich hat man mit solchen Komödien in den letzten Jahren spektakuläre Erfolge erzielt. Keine andere europäische Kinonation hat es zuletzt geschafft, sich mit ihren einheimischen Blockbustern auch auf dem internationalen Markt zu behaupten – von „Willkommen bei den Sch'tis“ über „Ziemlich beste Freunde“ bis „Monsieur Claude und seine Töchter“. Die „französische Komödie“ ist heute fast ein eigenständiges Genre, ihr kultureller Code universell verständlich und – geschmückt mit einem Mistelzweig – allemal weihnachtstauglich.

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Es ist also gar nicht mal abwegig, die Culture-Clash-Komödie „Voll verschleiert“ der iranisch-französischen Regisseurin Sou Abadi in der Zeit zwischen den Jahren in die Kinos zu bringen. Sie wird den Religionsfrieden gewiss nicht stören, gewährt aber immerhin aufschlussreiche Einblicke in die Befindlichkeiten des westlichen Nachbarn. Die Burka-Debatte ist nun also auch Komödienstoff – und anders als beim antiziganistischen Totalausfall „Hereinspaziert“ von Philippe de Chauveron („Monsieur Claude“) werden hier auch keine rassistische Ressentiments bedient.

AfD-Anhänger werden an dieser Weihnachtskomödie keine Freude haben. Aber auch Freunde des feinsinnigen Humors kommen bei Abadis „Charlies Tante“-Variation nur bedingt auf ihre Kosten. Zu konstruiert ist die Prämisse des Films, zu albern der Humor, zu schematisch die Charakterzeichnungen: alles auf die allernaheliegendsten Gags hin inszeniert.

Voll verschleiert. Leila (Camélia Jordana) muss ihren Freund verstecken.
Voll verschleiert. Leila (Camélia Jordana) muss ihren Freund verstecken.

© NFP

Armand (Félix Moati), Sohn iranischer Exilanten, und Leila (Popstar Camélia Jordana) wollen nach New York, um für die Uno zu arbeiten. Ihre Pläne durchkreuzt Leilas Bruder Mahmoud (William Lebghil), der gerade aus Jemen zurückgekehrt ist, wo er sich einem radikalen Muslimbruder-Makeover unterzogen hat. Also gibt sich Armand, um weiter seine Freundin treffen zu können, als Tschador tragende Muslima aus. Die Situation verkompliziert sich, als Mahmoud sich in die geheimnisvolle Korangelehrte verliebt – und Armands Eltern die neue Tschadorträgerin in der Nachbarschaft für eine Spionin des iranischen Regimes halten.

Sozialer Sprengstoff wird in der französischen Komödie wattiert verpackt, Mahmoud und seine depperten Muslimbrüder haben wenig mit der realen Bedrohung eines politischen Islam zu tun. Welches Angebot dieser abgehängten Migrantenkindern bieten könnte – einer der Gotteskrieger ist Franzose, wird von einem Mitstreiter aber konsequent mit seinem Geburtsnamen angesprochen –, versucht „Voll verschleiert“ gar nicht erst zu erklären.

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In die Kategorie des beliebten Subgenres „Privilegierter-Mann-bringt-Problemkindern-das-Musizieren-bei“ fällt das Wohlfühl-Drama „La Mélodie – Der Klang von Paris“ des algerischstämmigen Rachid Hami. Die Geschichte wurde schon so oft erzählt, dass Hami kaum Gestaltungsspielraum bleibt. Weil der alternde Violinist Simon (Kad Merad) seinen Platz im Ensemble verliert, muss er eine Stelle als Musiklehrer in einer „Problemschule“ antreten. Die Zehnjährigen hören natürlich lieber Hip-Hop als „Johann Sebastian Mozart“, aber irgendwie dringt der knorrige Alte zu den Kids durch. Besonders der neugierige Arnold (Alfred Renely) motiviert Simon, für den großen Auftritt in der Pariser Philharmonie zu proben.

Man muss es Hami lassen, dass er wenigstens stilsicher mit den erzählerischen Konventionen seiner Geschichte hantiert. Die Eltern zum Beispiel entsprechen so gar nicht dem Stereotyp der bildungsfernen Migranten, sie alle unterstützen ihre Söhne und Töchter bei ihrem neuen Hobby. „La Mélodie“ nimmt auch die Schönheit und Kraft der klassischen Musik für ein eher typisches Sozialdrama erfreulich ernst. Die Szenen, die die Klasse beim gemeinsamen Musizieren zeigen – in ihrer Freizeit proben die Kinder über den Dächern von Paris –, gehören zu den schönsten des Films. Wer weiß, vielleicht kann Hami ja sogar vom Erfolg der Serie „Mozart in the Jungle“ profitieren.

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Eine Nummer kleiner sind die Probleme in Carine Tardieus „Eine bretonische Liebe“, bei dessen Titel man unwillkürlich an ein kulinarisch-touristisches Roadmovie denken muss – eine Spezialität des französischen Kinos. Es handelt sich dann aber doch nur um eine Familienkomödie mit zwei zentralen Vater-Konflikten – und einer hypothetischen Geschwisterliebe, die an einer einzigen Blutprobe hängt. Ein DNA-Test als letzte Hürde zum romantischen Happy-end. Ganz so originell wie diese Pointe ist „Eine bretonische Liebe“ zwar nicht, aber Tardieus Inszenierung ist solide genug, um Weihnachtsverächter über die Feiertage zu bringen. Was man von der deutschen Komödie ja leider viel zu selten behaupten kann.

„La Mélodie - Der Klang von Paris“ und „Eine bretonische Liebe“ starten am Donnerstag, „Voll verschleiert“ kommt am 28. Dezember in die Kinos

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