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Kultur: Laborversuch

Normalerweise spielt Caroline Peters am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, in großen Filmen oder im Prater der Volksbühne. Aber am letzten Sonntag ist die Schauspielerin auf einer winzigen Bühne durch eine seltsam prämoderne elektronische Maschine gekrochen, einem wuchtigen Kasten mit obskuren Reglern und Schaltern wie aus der Kommandobrücke der Raumpatrouille Orion.

Normalerweise spielt Caroline Peters am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, in großen Filmen oder im Prater der Volksbühne. Aber am letzten Sonntag ist die Schauspielerin auf einer winzigen Bühne durch eine seltsam prämoderne elektronische Maschine gekrochen, einem wuchtigen Kasten mit obskuren Reglern und Schaltern wie aus der Kommandobrücke der Raumpatrouille Orion. Sie hat mit einem Mikrophon geflirtet und ihrer elektronisch verzerrten Stimme immer neue Schattierungen abgewonnen, ein Selbstgespräch, eine Erinnerung an einen früheren Liebhaber und manischen Elektronikbastler.

Caroline Peters, in einem bizarr aufgedonnerten Silberkostüm und mit wunderbar mokantem Lächeln, spielte die Uraufführung eines Textes des jungen Autors Till Müller-Klug, eine der vielen Grenzgänge und Entdeckungen, die das Performance-Festival "reich & berühmt" bis Ende des Monats im Podewil präsentiert. Das Festival funktioniert wie ein Labor, in dessen Versuchsreihen Tanz und Performance, Theater und Installationen, Rockkonzerte oder Vorträge von Thomas Kapielski (über das Thema "arm & laut") und Diedrich Diederichsen (über "Drogensongs") überprüfen, wie sich die Gegenwart mit ihren Komplikationen in der Kunstproduktion reflektieren lässt.

Im Foyer des Podewil haben Liane Sommers und Alex Large eine Installation aufgebaut, die wirkt wie ein gleichzeitig ironisch doppelbödiger und ratloser Kommentar zu dem Amoklauf in Erfurt, eine unprätentiöse Grübelei über Mordspiele in der Popkultur, den Fetischcharakter von Waffen und die Ästhetisierung von Gewalt. Riesige, anthropomorph weich verzerrte Umrisse von Gewehren und Pistolen hängen an den Wänden, mit Flitter glamourös umrandet und mit dunklen Botschaften beschrieben: "Keep the Piece". Wobei darüber spekuliert werden darf, ob die Verwandlung des Friedens ("Peace") in das Stück ("Piece") eher auf die Warenform der Popkultur anspielt oder auf den Sprachgebrauch jugendlicher Drogenkonsumenten (die unter Piece einen Krümmel Haschisch verstehen).

Das Festival findet zum siebten Mal statt, und dass es als Versuchslabor des neuen Theaters immer wieder hervorragend funktioniert hat, beweist zum Beispiel die Auswahl des eben zu Ende gegangenen Theatertreffens. Nicht weniger als drei der zehn mit ihren Inszenierungen eingeladenen Regisseure habe ihre ersten Produktionen in früheren Jahren im Podewil gezeigt: Stefan Pucher und René Pollesch bei "reich & berühmt", die Choreografin Meg Stuart bei den "Körperstimmen". So lobt denn auch Berlins Kultursenator Thomas Flierl im Grußwort zu "reich & berühmt", das Festival habe "der Stadt Berlin als Standort für innovative, junge Kunst im Bereich Theater und Performance über die Grenzen Deutschlands hinaus einzigartige Attraktivität" verliehen. Es ist nicht frei von Sarkasmus, dass die Festivalmacherinnen die emphatische Politikerprosa des Senators in ihrem Programmheft abgedruckt haben. Der gleiche Senator, der hier des Lobes voll ist, hatte nach der Sparklausur des Senats beschlossen, die Zuwendungen für das Podewil um 715 000 Euro zu senken - was das Aus für sämtliche Programmaktivitäten und damit auch für "reich & berühmt" bedeutet hätte. Nach zahlreichen Protesten renommierter Künstler und Intendanten war dieser Beschluss zurückgenommen worden.

Derzeit soll die BKV, der Träger des Podewils, noch 215 000 Euro einsparen - zehn Prozent ihres Gesamtetats. Dazu kommen 100 000 Euro, die wohl der Haushaltssperre zum Opfer fallen. Angesichts der ohnehin knappen Mittel nennt Aenne Quinones, eine der beiden Kuratorinnen des Festivals und im Podewil für Theater zuständig, die finanzielle Situation des Hauses weiterhin "unhaltbar". Dazu kommt, dass noch immer nicht absehbar ist, welche Folgen der geplante Umzug des Museumspädagogischen Dienstes in die Podewil-Räume haben wird. Klar scheint nur, dass kontraproduktive Konflikte vorprogrammiert sind.

Wenig mit Museumspädagogik, aber viel mit verqueren Erkundungen bundesrepublikanischer Lebenswelten hat eine andere Uraufführung des Festivals zu tun, Janec Müllers Inszenierung "Poetniks", eine Koproduktion mit dem Theaterhaus Weimar. An den beiden Schmalseiten des Bühnenraumes zeigen Filmleinwände abwechselnd Aufnahmen aus einem nächtlichen Industriegebiet, Parkplätze, Straßen, trostloses Suburbia. Dazwischen geschnitten werden vergrößerte Live-Aufnahmen der Schauspieler, die vor einem Silbervorhang in ein Mikrophon singen, Szenen selbstgebastelten Glamours. Die Handlung bleibt konfus, es geht um Einkaufsmärkte und Musterhäuser, es geht offenbar auch um Beziehungskomplikationen und ab und zu wird einfach nur gelangweilt auf einem Sofa rumgegammelt. Wer wissen will, wie zäh und dilettantisch sich ein prätentiöser Avantgardebegriff im Theater niederschlagen kann, hat hier prächtiges Anschauungsmaterial. Die nächsten Wochen bieten unter anderem noch eine Uraufführung von Gesine Danckwart, eine Performance von Lindy Annis und ein Tanzsolo nach einem Text von Lothar Trolle.

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