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Kultur: Länderfinanzausgleich: Hoher Einsatz

Es sind die Kleinigkeiten, die dem Tag die Dimension verleihen. Komplizierte Kleinigkeiten und ganz profane.

Von Lutz Haverkamp

Es sind die Kleinigkeiten, die dem Tag die Dimension verleihen. Komplizierte Kleinigkeiten und ganz profane. Peer Steinbrück zum Beispiel, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, hätte für einen weiteren Verhandlungstag gar kein frisches Hemd mehr gehabt. Seine letzte Garnitur wird er also vermutlich am Samstag im Kanzleramt getragen haben. Dort, wo die Ministerpräsidenten und Regierenden Bürgermeister letzte Hand an den Kompromiss zur Reform des Länderfinanzausgleiches und eine Nachfolgeregelung für den Solidarpakt gelegt haben. Doch es sind die Kleinigkeiten des Kompromisses, die die Rechenkünstler aus den Ministerien und ihre Chefs tage- und nächtelang beschäftigt haben.

Komplizierte Kleinigkeiten, bei denen auch mal ein Finanzminister seine Mitarbeiter um Erklärung fragen muss, ein Ministerpräsident sowieso, und auch der Kanzler freimütig zu erkennen gibt, nicht alle Windungen verstannden zu haben, noch erklären zu können. Das, was jetzt der Öffentlichkeit verkauft wird, ist ein feingesponnenes Netz aus Länder- und Bundesinteressen, aus Solidarität und Egoismus, aus Vor- und Nachteilen. Und es regelt im Großen wie im Kleinen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Bundesländern bis zum Silvesterabend des Jahres 2019. Eigentlich alles andere als eine Kleinigkeit.

Am Samstag hatten die Zahlenakrobaten schon die zweite Nacht in Folge gerechnet. Am Morgen fehlten ihnen in der Modellrechnung vier schwarze Nullen für Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Mehr Geld hätten ab 2005, wenn das neue Finanzausgleichsgesetz angewendet wird, alle gehabt - auch ohne schwarze Null in "einer hypothetischen Modellrechnung", so Steinbrück. Die Geberländer hätten mehr von ihren selbsterwirtschafteten Steuern behalten dürfen, die desaströsen Finanzlagen der ostdeutschen Kommunen sollten nicht in Gänze in den Finanzausgleich einfließen, Hafen- und Stadtstaaten-Sonderregelung wären bestehen geblieben. Mehr Geld und Freiräume für alle, Entgegenkommen allerorten und doch kein Kompromiss. Alles wegen vier schwarzer Nullen. Eigentlich eine Kleinigkeit.

Es wurde wieder gerechnet - mit neuen Zahlen und bei Tageslicht. Denn Bundesfinanzmister Hans Eichel hatte am Samstagmorgen doch seinen Anteil um eine Milliarde auf 2,5 Milliarden Mark hochgeschraubt. Gegen seinen erklärten Willen und in einer komplizierten Art. So zahlt der Bund nun die Tilgungsraten und Zinsen für den Fonds Deutsche Einheit, in dem alle Sonderlasten der Wiedervereinigung zusammenfasst sind. Dafür bekommt er zwar einen Festbetrag von den Ländern, die zusätzliche Milliarde pro Jahr müssen die Länder ab 2015 aber wieder selbst ausgleichen.

Zwischendurch nutzten die Ost-Ministerpräsidenten die Zwangspause, um beim Kanzler in eigener Sache zu werben. Denn außer dem Finanzausgleich war da noch der Solidarpakt II. Und pünktlich zum Mittagessen stand die Suppe auf dem Tisch und das Problem war vom selbigen: 306 Milliarden Mark, 15 Jahre Laufzeit ab 2005, am Silversterabend 2019 ist alles vorbei. Einen Solidarpakt III wird es nicht geben. So schnell geht das. Eine Kleinigkeit.

Blieb noch der Finanzausgleich, dieses monströse Rechenwerk, das schon seit 1952 das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Mit einem Konstrukt aus finanzieller Beteiligung, Tilgungsstreckung und viel Rechnerei gelang am Ende ein glattes 16:0. Das Ziel, an das unterwegs nur noch wenige geglaubt hatten, war erreicht. Alle Bundesländer stimmen dem Kompromiss zu, bejubeln den Kantersieg des Föderalismus und fahren frohgemut von Berlin in ihre Heimatländer, um das Verhandlungsergebnis als ihren ureigenen Erfolg zu verkaufen.

Am Ende jagte ein Superlativ den den nächsten. "Mit diesem Reformwerk sind wir auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands einen gewaltigen Schritt voran gekommen", jubilierte der Kanzler bei der Verkündigung des Ergebnisses. "Die deutsche Einheit wird innerhalb einer Generation vollendet", pflichtete ihm sein Finanzminister Eichel bei. Geberländer zufrieden, Nehmerländer zufrieden, der Kanzler sowieso. So ein Erfolg gehört anständig verkauft. "Dieses Land ist außerordentlich handlungsfähhig. Das ist ein Zeichen nach innen und außen", ruft Schröder den Journalisten entgegen, sichtlich bemüht, die aufkeimende Debatte um die flaue Konjunktur in Deutschland flugs wieder einzudämmen. Denn dieses Thema ist nächste Aufgabe - und wahrlich keine Kleinigkeit.

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