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Kultur: Ländervertretungen in Berlin: Der Ministerpräsident bittet zum Trampolinspringen ins Schlafzimmer

Die Schwaben und Badener im Tiergartenviertel zwischen Österreich und Indien? Was zunächst kurios anmutet, hat eine gewisse Logik.

Die Schwaben und Badener im Tiergartenviertel zwischen Österreich und Indien? Was zunächst kurios anmutet, hat eine gewisse Logik. In den "Botschaften" der Bundesländer residieren "Bevollmächtigte des Landes beim Bund und in europäischen Angelegenheiten" und sind tatsächlich so etwas wie Diplomaten, Botschafter, die die Interessen der Landesfürsten bei Hofe zu vertreten haben. Die Arbeit im Bundesrat und die Einflussnahmen auf die Gesetzgebungsverfahren werden von ihnen koordiniert und sie sind Horchposten in den Ausschüssen und Gremien. Und da es sich keiner der Landesherren nehmen lässt, eigenmächtig ein wenig Außenpolitik zu betreiben, insbesondere, um die Wirtschaftsunternehmen der eigenen Landeskinder zu unterstützen, nehmen die Bevollmächtigten teil am internationalen Ringelreihen des diplomatischen Lebens in der Hauptstadt, wozu man natürlich geeignete Räumlichkeiten für Empfänge und Soirées benötigt.

Man steht in harter Konkurrenz untereinander um die Gunst der Abgeordneten und lockt sie mit allerlei List ins eigene Haus. Was Wunder, dass viele Vertretungen einen Spitzenkoch beschäftigen. Andere bemühen Cateringfirmen. Der saarländische Ministerpräsident zum Beispiel hat den Koch als Sparmaßnahme nach Hause geschickt - sicher auch, weil der noch vom Feinschmecker Lafontaine bestellt worden war.

Saarlands Vertretung gehört zu einer Gruppe von fünf Häusern, die sich in den Ministergärten zwischen Holocaust-Mahnmal und Leipziger Platz zusammengefunden hat. Eine feste Typologie hat sich trotz gleicher Raumprogramme nicht herausgebildet. Fürstlich auftrumpfend oder vornehm zurückhaltend, nüchtern oder bescheiden, das Auftreten der Bundesländer in der Hauptstadt ist so unterschiedlich wie die Länder selbst und steht nicht einmal in direktem Zusammenhang mit deren Finanzkraft. Spielt die Vertretung Saarlands der Ungers-Schüler Peter Alt und Thomas Britz aus Saarbrücken theoriebewusst mit rationalistischen Typologien und quadratischer Modulordnung, darf man das Haus von Rheinland-Pfalz vielleicht funktionalistisch nennen.

Für Prunk sind Schwaben nicht zu haben

Die Stuttgarter Architekten Heinle, Wischer und Partner haben ein Haus der weißen Moderne entworfen, einen stereometrischen Baukörper mit Le Corbusiers Luftbalken als Umrahmung der Dachterrassen. Einladend die Eingangssituation, offen das Foyer und die lichtdurchflutete Halle, transparent der Durchblick durch das ganze Haus. Pathos und Prunksucht kann man ihm nicht nachsagen, doch ist das moderne Ambiente ein wenig zu nüchtern ausgefallen. Man wird viel Musik aufbieten müssen, um bei repräsentativen Anlässen die angemessene festliche Atmosphäre zu erzeugen.

Zeitgemäßen Trend versuchten die Architekten des Doppelhauses von Schleswig-Holstein und Niedersachsen Cornelsen + Seelinger sowie Cornelsen + Vogel zu folgen. Technizistische rote Stahlprofile, rahmenlose Glasflächen, tiefe, braune Fenster und Natursteinplatten aus dunkelgrauem italienischen Sandstein müssen sich zu einem Fassadenbild fügen, was nicht so recht gelingen will. Die "Seitenschiffe" bilden die beiden Bürotrakte der Kanzleien, im gläsernen "Mittelschiff" steht der gemeinsame große Saal mit Dachcafé. Kubisch-blockhaft und ungegliedert tritt das Doppelhaus vor Augen und steht in krassem Gegensatz zu seinem Gegenüber, der hessischen Landesvertretung, die erst kürzlich ihrer Bestimmung übergeben wurde.

Die Frankfurter Architekten Christl + Bruchhäuser plagten sich sichtlich mit einer Art Baukörper-Kompositionsübung aus dem ersten Semester; die Ingenieure hatten dann die Mühe, die waghalsig kragenden und schwebenden Volumina im Gleichgewicht zu halten. Man fühlt sich an amerikanische Villen erinnert, die über Wasserfällen oder Abgründen mit grandioser Aussicht auf Los Angeles balancieren. In den Berliner Ministergärten balanciert jedoch kein Panoramasalon, sondern eine Ansammlung kleinmütiger Gästezimmerchen, für die der Aufwand unverständlich bleibt. Ärgerlich auch, dass das Spiel der Kuben durch das Fugennetz der Sandsteinfassadenplatten regelrecht zerpflückt wird.

Im Inneren ergab die Bauskulptur ohnehin mehr Probleme als Vorteile. So ist der extrem langrechteckige Saal im ersten Obergeschoss mit seiner knappen Raumhöhe von nicht einmal drei Metern ziemlich unbrauchbar, während die 3,80 Metern Deckenhöhe im Schlafzimmer des Ministerpräsidenten zum Trampolinspringen einladen. Sein Appartement ist das bei weitem üppigste aller Kollegen, die sich ansonsten eher in Bescheidenheit üben.

Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind bei den reichen Hessen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs Kostgänger. Beide Länder wollten nicht so hoch und teuer bauen und verzichteten auf den Luxus eigener Gästezimmer, auf das Appartement für die seltenen Besuche des Regierungschefs und sogar auf eine Residenz des Bevollmächtigten, der ja den Dienstsitz in der Hauptstadt hat. Ihr Zwillingshaus mit seinen beiden fast symmetrischen Bürotrakten schwebt über einem gläsernem Erdgeschoss, in dem Konferenzräume, ein teilbarer Saal und eine Hausmeisterwohnung Platz fanden. Über den Berlinischen Sandsteinkodex hat sich Architekt von Gerkan hinweg gesetzt und das Haus in nahezu schwarzen Schieferstein preiswert aber standesgemäß eingekleidet.

Brandenburg bleibt bescheiden

Die seemännisch dekorierte "Kajüte" im Keller der Bremischen Landesvertretung ist aus Bonn in die Hauptstadt mit umgezogen. Der Smutje ist jedoch Gelegenheitsarbeiter und wird nur zu Empfängen beschäftigt. Das von Léon Wohlhage Wernik entworfene stattliche Haus der Hansestädter steht im Diplomatenviertel und macht vergessen, dass es sich um den kleinsten Stadtstaat unter den deutschen Bundesländern handelt. Unübersehbar rot leuchtend gestrichen, heißt die Vertretung schon von weitem willkommen. Nördlicher Nachbar wird Nordrhein-Westfalen sein, deren von Petzinka, Pink + Partner entworfener Bau als letzter aus der Baugrube wächst.

Zwischen Österreich und Indien also die Vertretung des südwestdeutschen "Musterländles", die nicht nur die architektonische Grundhaltung mit dem Kanzleramt gemein hat. Wie jenes ist sie oft als unangemessen dominant und monumental gescholten worden, wie jenes empfängt sie mit einer großen Willkommensgeste und wie jenes entfaltet sie überraschende Qualitäten im Innenraum. Das Spiel mit Raum und Licht beherrscht Dietrich Bangert wie der Architekt des Kanzlers, und formale Verwandtschaften kommen nicht von ungefähr, arbeiteten Bangert und Axel Schultes doch viele Jahre zusammen mit Stefan Scholz und Bernd Jansen in Partnerschaft.

Thüringen hat auf eine besondere architektonische Visitenkarte verzichtet. Vielen Gästen der Köstritzer Schwarzbierkneipe wird nicht bewusst werden, dass sie sich im Haus einer Landesvertretung befinden, denn das Gebäude von Worschech & Partner (Erfurt) fällt in seiner Umgebung unter der dortigen Investorenarchitektur nicht weiter auf. Man führt eine örtliche Tradition fort, denn es ließ das Haus auf einem landeseigenen Grundstück errichten, auf dem 1933 - 45 das "Haus Thüringen" gestanden hatte.

Hamburg haut rein

Zwei Ecken weiter zeigen die "Pfeffersäcke", dass sie das Repräsentieren nur in Hamburg degoutant finden. Prunkvollster wilhelminischer Barock macht gehörig Eindruck und schlägt in Punkto Prachtentfaltung alle Konkurrenten aus dem Feld. Die Hansestadt hat die historistische Häusergruppe an der Ecke Jägerstraße/Mauerstraße aufs Feinste saniert und sogar ein wenig Modernes gewagt: Das oberste Geschoss und das Dach beim Haus Mauerstraße 24 sind in heutigen Formen aufgestockt worden - nicht ungeschickt und durchaus reizvoll. Mit Verve fegten die Hamburger Architekten Dinse Feest und Zurl durch die alten Gemäuer und bespielen sie mit einem designverliebten Interieur, das kurzerhand Japan mit De Stijl verheiratet. Dabei wirkt das Design an keiner Stelle aufdringlich, doch wer Augen hat zu sehen, kann über Langeweile nirgends im Haus klagen.

Anders die Bayern, deren Hochbauamt Aschaffenburg Schalck-Golodkowskis Außenhandelsbank recht lustlos herrichtete. Wo Hamburg seine Gäste an einer offenen Rezeption freundlich begrüßt, wähnt sich der Besucher bei den Bayern im Hochsicherheitstrakt. Neu ist das Glasdach über dem Innenhof, der auf diese Weise zum Festsaal wird, sowie der gläserne "Club Berlin" auf dem Dach. Das Bier ist den Bayern bekanntlich besonders wertvoll, es im Tresor vor den Preußen wegzuschließen, scheint doch ein wenig übertrieben. Jedenfalls wurde der ehemalige Tresorraum zum Biergarten (mit immergrünem Kastanienlaubdach in der Fotoleuchtdecke) umgewidmet.

Sachsen hat sich in der Brüderstraße einen Altbau umgebaut. Auch Sachsen-Anhalt bezog einen unspektakulären Altbau, in der Luisenstraße in der Nähe des Bundestags. Berlin wollte da nicht hintanstehen und ließ sich Büros und Besprechungszimmer (allerdings keine Empfangsräume), in der ehemaligen Direktion der Charité einrichten, gleich neben der ARD, vis-à-vis der Abgeordnetenbüros. Näher dran geht nicht. So kommt es zu dem delikaten Fall, dass eine Landeshauptstadt quasi in sich selbst eine auswärtige Vertretung unterhält.

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