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Josh Lovell (Gérald) und Aigul Khismatullina (Lakmé)

© Foto: Marcus Lieberenz

„Lakmé“ von Leo Delibes: Zuckerguss für die Ohren

Gastspiel der Deutschen Oper in der Philharmonie: Daniela Candillari dirigiert eine fantastische Aufführung von „Lakmé“

Den Namen dieses Komponisten zu kennen, gehört selbst unter Klassikfans definitiv nicht zum Allgemeinwissen – ein paar Minuten seiner Musiker aber dürften Millionen Menschen vertraut vorkommen: das „Blumenduett“ aus Leo Delibes „Lakmé“ nämlich. 1983, genau 100 Jahre nach der Pariser Uraufführung der Oper, untermalte Tony Scott damit in seinem Film „The Hunger“ eine Szene, in der Cathérine Deneuve als Vampirin Susan Sarandon verführt. Mehr als dreißigmal ist der süße Gesang zweier Frauen seitdem in Soundtracks aufgetaucht, außerdem in diversen Werbespots, unter anderem von British Airways und Peugeot.

Ein sanft wiegender Rhythmus liegt unter der lasziven Doppelmelodie, genau wie bei der nicht minder berühmten Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“. Anders als bei Offenbach, wo Sopran und Mezzosopran „Süße Nacht, oh Liebesnacht“ singen, geht es bei Delibes nicht explizit um Erotisches. Sondern nur um exotische Blüten, die die beiden Frauen pflücken wollen.

Bis in die kleineste Nebenrolle perfekt besetzt

Die Handlung von „Lakmé“ spielt nämlich in Indien, die Titelheldin, die zusammen mit ihrer Dienerin Mallika florale Fantasien formuliert, ist die Tochter eines Priesters. Der hasst die englischen Besatzer seiner Heimat – und wird sofort von wüster Mordlust gepackt, als der Offizier Gérard in den verbotenen Tempelbezirk eindringt. Der Brite, man ahnt es, verfällt dem Charme Lakmés, sie erwidert seine Liebe. Doch ein Happyend darf es nicht geben, am Ende des Dreiakters schluckt sie Gift und bricht tot in den Armen des Tenors zusammen.

Selten wird die Oper im Ganzen aufgeführt – dazu ist ihre Dramaturgie zu holzschnittartig, außerdem geht Delibes als Komponist jedes Gespür für Dramatik ab –, mindestens vier Nummern aber sind echte Juwelen der französischen Oper des 19. Jahrhunderts, klingende Petit Fours gewissermaßen, mit viel akustischem Zuckerguss.

Weil an der Bismarckstraße noch bis Anfang November Bauarbeiten am Orchestergraben stattfinden, gastierte die Deutsche Oper jetzt mit einer konzertanten „Lakmé“-Aufführung in der Philharmonie. Und der Abend wird zum Triumph: Weil Christoph Seuferle, der Operndirektor, eine absolut erstklassige Besetzung aufbieten kann, ohne berühmte Namen zwar, aber mit perfekt gecasteten Solisten, bis zur kleinsten Nebenrolle.

Und weil die serbische Dirigentin Daniela Candillari genau weiß, wie sie die Qualitäten der Partitur betonen kann. Sie macht also mächtig Tempo in den Ensembleszenen, setzt auf quirlige Geschäftigkeit ganz im Stil der volkstümlichen Opéra Comique, um die elegischen, verträumten Szene dann frei atmen lassen zu können.

Die größte Stärke von Leo Delibes sind seine eleganten, weit ausschwingenden Melodien voll Poesie und Anmut. Hinreißend schmachtet Josh Lovell als Gérard mit hellem, schlankem Tenor, Riesenjubel erntet Aigul Khismatullina für ihre „Glöckchen-Arie“, wobei die leuchtenden, samtigen Kantilenen der Sängerin aus Tartastan noch mehr bezaubern als die makellosen Koloraturen. Ideal harmoniert sie auch mit Blumenduett mit Mireille Lebel.

Thomas Lehman verleiht Lakmés rachsüchtigem Vater mit markant-heldischer Stimme Statur, Dean Murphy ist als Frédéric ein Gentleman-Bariton, die liebevolle Karikatur einer schrulligen Gouvernante zeichnet Sylvie Brunet-Grupposo als Mistress Benson. Quelle soirée fantastique! Frederik Hanssen

Ein Mitschnitt des Abends ist bis Ende Oktober beim Sender RBB Kultur nachzuhören.

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