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Kultur: Lange Leitung

Picasso auf der Insel: Eine Ausstellung in Edinburgh.

Der Kriegsheld Winston Churchill und der damalige Präsident der Royal Academy machten sich 1949 einen Spaß daraus, vor Mikrofonen der BBC über Pablo Picasso herzuziehen. Im Vereinigten Königreich galt der spanische Künstler herzlich wenig. Überhaupt galt die Moderne wenig. An den britischen Inseln schien sie gänzlich vorbeigegangen zu sein.

Mit diesem gängigen Vorurteil räumt eine Ausstellung der Schottischen Nationalgalerie Moderner Kunst auf. „Picasso and Modern British Art“ ist eine klug zusammengestellte Übersicht aus dem Haus der Tate Britain in London, die immer häufiger mit Museen im nach kultureller Eigenständigkeit strebenden Schottland kooperiert. Schon in London war die kunsthistorisch wohlfundierte Auswahl ein Publikumsmagnet, ruft sie doch die Picasso-Retrospektive der Tate in Erinnerung, die 1960 den Durchbruch der Moderne in der öffentlichen Wahrnehmung Großbritanniens markierte.

Künstler und Kritiker hatten sich lange vorher mit Picasso beschäftigt, nur bildeten sie innerhalb der konservativen Gesellschaft eine verschworene Minderheit. Fast im Alleingang hatte der Kritiker Roger Fry die Moderne ab 1910 unter dem Titel „Post-Impressionismus“ vorgestellt, dann baute Wyndham Lewis nach dem Ersten Weltkrieg seinen kantigen „Vortizismus“ auf den Errungenschaften des Kubismus auf. In der Zwischenkriegszeit beschränkte sich Picassos Wirkung auf einzelne Künstler wie Henry Moore, und erst die politisierten enddreißiger Jahre, als sogar „Guernica“ auf Ausstellungstournee ging, brachten Picassos Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit nahe. Die letzte Station war ein Autosalon in Manchester.

Erst die Retrospektive von 1960 mit einer halben Million Besucher und unzähligen Presseberichten ließ Picasso für die Öffentlichkeit zur Jahrhundertfigur werden. Fünf Jahre später erwarb die Tate „Drei Tänzerinnen“ von 1925, das erste Gemälde überhaupt, das Picasso direkt an ein Museum veräußerte. In der jetzigen Ausstellung beherrscht es den abschließenden Saal, als Zeichen der schlussendlichen Anerkennung in einem Land, das sich mit der Moderne immer schwergetan hat. Dass Nationalhelden wie Francis Bacon oder David Hockney – und vor ihnen der heute schon wieder entrückte Graham Sutherland – sich in ihrem Werk auf Picasso beziehen, erleichtert den Zugang zu dem quecksilbrigen Spanier. Und die Erkenntnis, dass die britische Kunst im 20. Jahrhundert einen sehr eigenen Weg gegangen ist, weit entfernt von den Vorgängen auf dem „Kontinent“. Gewiss. Aber auf der Ausstellung liegt dennoch zugleich ein gewisser Grauschleier, als sollte eine Geschichte revidiert werden, die nun historisch geworden ist. Bernhard Schulz

Edinburgh, Scottish National Gallery of Modern Art, bis 4. 11.; Katalog 24,99 Pfund.

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