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Kultur: "Language of Journalism": Der Zeitungsbesessene

Dieser Mann hat sich lebenslang der schwarzen Kunst verschrieben. Erst Sportreporter, gibt er bald zwei anspruchsvolle Zeitschriften heraus, liest täglich mehrere Journale aus Europa und den USA, schneidet Artikel aus und steckt sie in gebrauchte Briefumschläge, die überall in seiner Berliner Wohnung herumliegen.

Dieser Mann hat sich lebenslang der schwarzen Kunst verschrieben. Erst Sportreporter, gibt er bald zwei anspruchsvolle Zeitschriften heraus, liest täglich mehrere Journale aus Europa und den USA, schneidet Artikel aus und steckt sie in gebrauchte Briefumschläge, die überall in seiner Berliner Wohnung herumliegen. Jetzt hat Melvin J. Lasky das Material gesichtet: Der erste Band von "Language of Journalism" über Zeitungskultur ist in Oxford erschienen.

Weil Lasky neben den Zeitungen der Welt auch die Welt der Zeitungen kennt, füllte sich das Literaturhaus mit Freunden und ehemaligen Mitarbeitern. Ihnen musste der Mann nicht vorgestellt werden, der 1945 mit der US-Armee nach Berlin gekommen und 1948 die Zeitschrift "Der Monat" gegründet hatte, in der Arthur Koestler, George Orwell, Raymond Aron und viele andere schrieben. 1958 wechselte Lasky zum Londoner "Encounter" und kehrte 1982 zum "Monat" zurück, der 1986 eigestellt wurde.

Dieses Intellektuellenleben hat nur einen Makel, und auf ihn kommt Marko Martin, Herausgeber eines "Monats"-Reprints, gleich zu sprechen. Er polemisiert - ohne Namensnennung, jeder kennt das Buch von Frances S. Saunders - gegen die Verurteilung des antikommunistischen "Monat", der von der CIA finanziert worden war. "Wer kennt die Zeitungen, der nur die Zeitungen kennt" - dieser Satz aus dem Vorwort seines Buches, das Lasky anschließend vorlas, sollte gewiss kein Kommentar sein.

Laskys Vortrag war beinahe so ausschweifend wie sein auf drei Bände konzipiertes Werk. Er erzählte von der Zeitungsausrissmanie, dem zeitungsbesessenen Vater und nannte sich selbst einen "Kettenzitierer". Wie Hegel könne er sich ohne Zeitungen nicht sicher sein, ob es diese Welt überhaupt gebe. Auch wenn man selbst am Ende, sagte Lasky, nur eine Meldung sei.

Die beiden Herren neben dem kleinen Mann mit dem an Trotzki erinnernden Bärtchen ergänzten sich gut. Der Althistoriker Wolfgang Schuller bot eine Lasky-Blütenlese und präsentierte nach dem "J-Word" Jude und dem "F-Word" Fuck schließlich Old Shatterhand als Ahnherren der political correctness: "Habe mich gefreut, Euch kennenzulernen", fertigt Karl Mays Held einen Menschen ab, der partout am "N-Word" Nigger festhält. "Soll es nun mit dieser Freude zu Ende sein."

Dagegen holte der "Zeit"-Herausgeber Michael Naumann, der 1978 den "Monat" neu gegründet hatte, weit aus und verglich Lasky mit Karl Kraus. Lasky hasse nicht, hinter ihm liege die Erfahrung des Holocaust. Aber beide besäßen, so Naumann, was der Österreicher eine "Midasgabe" nannte: Pressezitate werden schon vor der Berührung zu Blech.

Jörg Plath

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