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Kultur: Lasst Berlusconi Brunnen bauen Aki Kaurismäki erhält den Kunstpreis Berlin

So exzentrisch wie die legendären Gespräche mit Ulrich Gregor im Delphi während vergangener Berlinalen war Aki Kaurismäkis Auftritt in Berlin diesmal nicht. Ganz seriös in schwarzem Blazer, hellem Hemd und gut rasiert nahm der finnische Filmregisseur den diesjährigen Kunstpreis Berlin entgegen.

So exzentrisch wie die legendären Gespräche mit Ulrich Gregor im Delphi während vergangener Berlinalen war Aki Kaurismäkis Auftritt in Berlin diesmal nicht. Ganz seriös in schwarzem Blazer, hellem Hemd und gut rasiert nahm der finnische Filmregisseur den diesjährigen Kunstpreis Berlin entgegen. Und schaffte es dennoch, in seiner Dankesrede jene Art von höherem Nonsense zu verbreiten, die genau gesehen eigentlich höherer Sinn ist. Also: Er habe in der Zeitung gelesen, dass man mit 18 Milliarden Dollar jeden Menschen auf der Welt mit sauberem Trinkwasser versorgen könne. Das sei genau die Summe, die in Europa für die Versorgung von Haustieren ausgegeben werde. Wie ungerecht gegenüber den Tieren: Sollen sie verantwortlich dafür gemacht werden, dass der Mensch nicht mit seinen Ressourcen umgehen kann? Zur Güte ein anderer Vorschlag: „Alle Menschen sind schön. Schönheitsoperationen sind daher völlig überflüssig.“ Warum nicht 10 Prozent von jeder Schönheitsoperation für die Sicherung des Welttrinkwassers ausgeben? Italiens Staatschef Silvio Berlusconi könne da ja schon mal einen gewichtigen Beitrag leisten. Aber weil der das Trinkwasserproblem wahrscheinlich noch gar nicht mitbekommen hat, will Kaurismäki mit gutem Beispiel vorangehen. Sein Preisgeld von 15000 Euro stiftet er, um damit 30 Brunnen zu finanzieren. Einen davon könne man leer lassen, falls Berlusconi einmal nach Afrika kommen sollte ...

Ein angemessener Auftritt des Mannes, den zuvor der amerikanische Independent-Regisseur Jim Jarmusch in einer Videobotschaft als „my most favourite strange person“ geehrt hatte und den „Zeit“–Redakteurin Katja Nicodemus in einer anrührenden Laudatio ob seines Interesses für die Randexistenzen der Gesellschaft feierte: für seine „merkwürdige Heldenfamilie“, bestehend aus „schweren Trinkern und leichten Mädchen, Vagabunden und Verbrechern, Müllmännern und arbeitslosen Kohlekumpels“. Sein heiterster Film „Wolken ziehen vorüber“, 1996 entstanden und zu Ehren der Preisverleihung noch einmal gezeigt, vereinigt mit Kati Outinen und Kari Väänänen zwei klassische Exemplare dieser „Glücksritter und stolzen Stehaufmännchen“.

Weitere denkwürdige Ereignisse der Preisverleihung: Berlins Kultursenator Thomas Flierl bekräftigte, dass das Land Berlin sich auch weiterhin zu dem 1948 als Erinnerung an die Revolution von 1848 gestifteten Preis bekennt. Die Schriftstellerin Terezia Mora erhielt, einen Tag nach ihrer Auszeichnung in Leipzig, den Förderpreis im Bereich Literatur für ihren Roman „Alle Tage“. Und weil sowohl Preisträger Richard Deacon als auch Juror Dieter Appelt nicht zur Verleihung des Will-Grohmann-Preises erschienen, ließ sich Akademie-Vizepräsident Matthias Flügge zur poetischsten Spontan-Laudatio des Abends hinreißen. Zentraler Punkt: die künstlich wirkenden rosa Gerbera-Blüten, mit denen die Preisträger beschenkt wurden. Gerochen hat daran nur Kaurismäki.

Christina Tilmann

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