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Kultur: Last Exit Bolzplatz

Jörg Plath über Nobelpreiskandidaten und den Charme von Jungschriftstellern SCHREIBWAREN Eine Woche der Extreme, ganz wie das Aprilwetter: Absolute Beginners neben Aspiranten für den Literaturnobelpreis. Willkommen zur Achterbahnfahrt.

Jörg Plath über Nobelpreiskandidaten und den Charme von Jungschriftstellern

SCHREIBWAREN

Eine Woche der Extreme, ganz wie das Aprilwetter: Absolute Beginners neben Aspiranten für den Literaturnobelpreis. Willkommen zur Achterbahnfahrt. „Wie komme ich hier raus?“ (Kiepenheuer & Witsch), fragt Kolja Mensing . Er erinnert sich in seinem Debüt noch einmal an all die Dinge, die eine Jugend in der Provinz ausmachen – Disko, Bushaltestelle und Kreativlädchen. Ob Tobias Hülswitt ihm den Last Exit zeigen kann? In seinem ersten Roman „Saga“ (ebenfalls Kiepenheuer & Witsch) erzählt er melancholische Geschichten von Disco, Bolzplatz und den großen Gefühlen, die sich in einer gewissen Lebensphase selbst beim Pinkeln einstellen ( Literaturwerkstatt , 8.4., 20 Uhr).

Vielleicht hilft an dieser Stelle ein wenig klassisches Prosagut weiter: „O Jugend! Du lieber Frühling, der du so sonnenbeschienen vorn im Anfange des Lebens liegst! Wo mit zarten Äugelein die Blumen umher, des Waldes neugrüne Blätter, wie mit fröhlicher Stimme dir winken, dir zujauchzen! Du bist das Paradies, das jeder der spätgebornen Menschen betritt, und das für jeden immer wieder von neuem verlorengeht.“ Gut gebrüllt, Ludwig Tieck . Im Literaturforum findet ein Symposium zu Ehren des Dichters statt (9.4.11.4., Tel. 28 22 003), und am 10.4. liest Günter de Bruyn (20 Uhr) aus der Geschichte der „Finckensteins“ (Siedler), auf deren Gütern Tieck siebzehn Jahre lebte.

Die Finckensteinschen Besitzungen liegen in der einst von Wenden besiedelten Steppe. Rethra hieß deren sagenumwobenes Heiligtum, und Wenzel macht sich auf die Suche nach der verschwundenen Stadt. Er geht darüber selbst verloren und wird nun seinerseits von einem Bürokollegen gesucht. Jens Sparschuh s Erzähler reist in „eins zu eins“ durch ein Mecklenburg mit vor sich hin rottenden Betriebsferienheimen, neuen Einkaufszentren, Baumärkten und Imbissen ( Buchhändlerkeller , 10.4., 20.30 Uhr).

Am selben Abend liest der wohl einzige Dichter im Literarischen Colloquium (10.4., 20 Uhr), der unbestritten als der bedeutendste seines Landes (Litauen) gilt und zugleich einen Reiseführer für seine geliebte Heimatstadt verfasst hat (Wilnius). Nobelpreiskandidat Thomas Venclova wurde 1977, mit vierzig Jahren, während eines Aufenthalts in den USA, die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt. Seitdem lebt der Dissident in den USA, lehrt Slawistik und schreibt leise, komplexe Gedichte, in denen er sich mit antiken griechischen wie mit modernen russischen und europäischen Dichtern unterhält.

Doch zurück zur hoffnungsvollen Jugend. Am Freitag stellen sich die acht Teilnehmer der Autorenwerkstatt Prosa im Literarischen Colloquium vor (11.4., 20 Uhr). Zur selben Zeit eröffnet im Roten Salon der Volksbühne (Tel. 283 39 83 und 247 67 72) die dreitägige „Lesershow – 4. Berliner Festival junger Autoren “ (11.-13.4., jeweils ab 20 Uhr). Mit dabei sind Kolja Mensing, Jana Simon, Ricarda Junge, Michael Stauffer, Antje Ravic Strubel, Gregor Hens und viele andere. Samstagnacht legen die Autoren Jakob Hein & Ahne Platten auf, und am Samstag- und Sonntagnachmittag (jeweils ab 14 Uhr) findet ein kleines Symposium zum Phänomen Pop-Literatur statt. Moritz Baßler ist seit seinem Buch „Der deutsche Pop-Roman“ (Beck) der Experte für das Thema. Er hat die Pop-Literatur als enzyklopädische Archivierung jener Diskurse beschrieben, die von der „Literatur-Literatur“ links liegen gelassen werden. Sechs junge Wissenschaftler stehen Baßler zur Seite, auf die Vorträge folgen Podiumsdiskussionen.

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