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Kultur: Leaving Las Vegas

Christina Tilmann über die Krise des GuggenheimPrinzips Man nehme: einen smarten Museumsmanager, der gern mit schwerem Motorrad bei Pressekonferenzen einreitet, der wie ein Geldmann bloß von „Spread-Sheets“ und „Cash Flow“ redet und kein einziges Wort über Kunst verliert. Dazu einträgliche Allianzen mit Banken und Betrieben, die gegen Beteiligung Teile der Sammlung bekommen.

Christina Tilmann über die Krise

des GuggenheimPrinzips

Man nehme: einen smarten Museumsmanager, der gern mit schwerem Motorrad bei Pressekonferenzen einreitet, der wie ein Geldmann bloß von „Spread-Sheets“ und „Cash Flow“ redet und kein einziges Wort über Kunst verliert. Dazu einträgliche Allianzen mit Banken und Betrieben, die gegen Beteiligung Teile der Sammlung bekommen. Außerdem Dependancen rund um die Welt, von Bilbao bis Berlin, von Las Vegas bis St. Petersburg, erbaut von Star-Architekten wie Rem Koolhaas oder Frank O. Gehry. Und schließlich Ausstellungsthemen wie Motorräder oder die Garderobe der Präsidentengattinnen – und schon sind Vernissagen Society-Events und jede Menge sonstige Nicht-Museumsgänger im Haus.

Das „Guggenheim-Prinzip“, 1999 vom ehemaligen Chef des Goethe-Instituts, Hilmar Hoffmann, als Sündenfall der Kunst gegeißelt, ist sprichwörtlich geworden: als Inbegriff von Fastfood-Kultur. Das System einer weltweiten Unternehmenspolitik mit kaum erschöpflicher Finanzkraft, die Ausbeutung eines Markennamens und eine straff profitorientierte Museumsführung waren ein rotes Tuch für traditionelle Kulturinstitutionen. Dass die Guggenheim-Foundation nun die gerade erst eröffnete Dependance in Las Vegas schließen muss, mehr als die Hälfte der Belegschaft entlässt und den auf 950 Millionen Dollar angesetzten spektakulären Neubau von Frank O. Gehry in Lower Manhattan gestoppt hat, stößt in der Kunstwelt auf wenig Mitgefühl.

Zugegeben: Die Inszenierungen waren laut, glamourös und ein wenig unseriös. Doch das Konzept von Museumschef Thomas Krens war die konsequente und bisher einzige Antwort eines Museums auf die veränderte Welt der New Economy – und es hat weltweit Schule gemacht. Inzwischen ist der Ruf nach festen Wirtschaftspartnern, nach Sponsoren und Drittmitteln längst in den Grundwortschatz aller Museumschefs eingegangen. Das New Yorker Museum of Modern Art, die Londoner Tate Gallery, die Petersburger Eremitage und das Pariser Centre Pompidou basteln an einem Netz der Dependancen und Kooperationen. Architekten wie Frank O. Gehry oder Daniel Libeskind bauen rund um die Welt eindrucksvolle und dennoch austauschbare Museen, die dem Wunsch einer verstärkten Corporate Identity entsprechen. Das Guggenheim-Prinzip gilt längst in allen Häusern.

Wenn Krens’ Sparprogramm also nun mit Schadenfreude aufgenommen wird, ist das zu billig. Die Guggenheim-Krise ist kein Sieg der Qualität über den Populismus. Es ist auch eine Warnung – für alle Museen.

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