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Kultur: Leben im Türken-Container

THEATER

Das Leben einer Türkin in Deutschland erzählt seine eigenen Geschichten, aber wer sagt denn, dass darin immer gleich ein Drama stecken muss? Emine Sevgi Özdamar kam als theaterbessene 18-Jährige nach Berlin, war Fabrikarbeiterin, dann Schauspielerin und fing schließlich mit dem Schreiben von Erzählungen an, in die der Kultur- und Sprachwechsel schön poetisch einfließt und in denen die Verdoppelung der Perspektiven von Anfang an eine wichtige Rolle spielte. Im Berliner Prater hat jetzt das Trio Pauline Boudry, Brigitta Kuster, Renate Lorenz für das Stück „ Die Deutschlandtür geht auf und wieder zu “ (wieder am 30.11., 2., 10.12., 20 Uhr) einige ihrer Lebenssplitter aufgelesen. Zusammengefügt ergeben sie eine seltsame halbdokumentarische Hommage an Özdamar, die aber mehr ein fortschrittlicher Theaterabend sein will, in dem ein turbulentes Leben auf keinen Fall realistisch nachgespielt werden soll. In Bert Neumanns Wohncontainer im Prater sind dafür ein DJ-Pult und zwei Videoleinwände aufgebaut. Es agieren mit langen schwarzen Haaren und in grauen Anzügen zwei alter egos von Özdamar: Der türkische Transvestit Mesut Özdemir und die Schauspielerin Claudia Contreras, die in Nikaragua einer revolutionären Theatergruppe angehörte. Sie schlüpfen mit langen schwarzen Haaren und in dunklen Mänteln in die Rolle Özdamars, verschmelzen Episoden aus Özdamars Leben mit ihren eigenen, lassen Videoausschnitte aus Filmen wie „Yasemin“ oder „Happy Birthday, Türke“ laufen, in denen Özdamar türkische Mütter spielte. Mesut zeigt noch zwei sehr schön ausgeführte Bauchtanzeinlagen, Contreras reicht Tee an die Zuschauer. Es fiele jetzt leicht, das alles als nur bedingt bühnentauglich zu bezeichnen und die Lektüre eines Özdamar-Buchs zu empfehlen – wenn nicht eine eigenwillige Spannung von dieser Versuchsordnung im Gedächtnis haften bliebe. Kein Drama auch hier, immerhin aber: viele kleine Theaterstimmungen.

Simone Kaempf

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