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Kultur: Leben!

Im Kino: Drei Heimbewohner

Hilde ist der Star. „Ich habe 36 Hüte. Jeden Morgen probiere ich sie alle an“, verkündet die 73-Jährige. Das kann dauern, denn bei Hilde braucht alles etwas länger. Das Hüte-Anprobieren. Das Kartoffelschälen in der Küche. Und, vor allem, das Sprechen. Dafür jedoch wird man belohnt mit einem Mutterwitz, der spielend durch den Film trägt.

Hilde ist einer von drei Stars. Da gibt es noch Karl und Philipp. Karl mit dem größten, wunderbarsten Pferdegrinsen der Welt. Und Philip, mit unermüdlicher Ausdauer: Er kann auf einem Bein quer durch den Kölner Hauptbahnhof hüpfen, mit einem Rollwagen quer über die Champs Elysées rollen oder sogar ein wenig tanzen.

Sie alle leben in einem Heim für Behinderte in Bremen. Karl und Philipp fabrizieren Watschel-Enten aus Holz im „Blaumeier Atelier“, einem Projekt für „Kunst und Psychiatrie“. Und weil der eine Liebeskummer und der andere Lebensfrust hat, und weil Hilde ihre „Schätzchen“ nicht allein lassen kann, und weil sie zufällig mit einem ICE-Schaffner befreundet sind und Enno, ihr Betreuer, ein ausgemachtes Ekel ist, und weil eine Watt-Wanderung ansteht, auf die sie alle keine Lust haben, fahren sie kurzerhand nach Köln. Und nach Paris. Und – zumindest in Gedanken – mindestens nach Afrika.

„Verrückt nach Paris“ war einer der Geheimtipps der Berlinale. Weil er mit seinem schwierigen Thema so wunderbar leichthändig umgeht. Weil er ein Märchen erzählt, das alle gerne glauben möchten: davon, wie schwarz und weiß, behindert oder nicht, großmütig oder kleingeistig, miteinander auskommen. Und weil er mit Paula Kleine, Frank Grabski und Wolfgang Göttsch ein energisch-komisches „Trio Infernale“ ins Zentrum stellt. Da muss sogar Dominique Horwitz als Betreuer zurückstecken.

Eike Besuden und Pago Balke, Produzent und Regisseur, haben viel gewagt – und gewonnen. Für Besuden, Moderator bei Radio Bremen, war es der erste Spielfilm, Balke arbeitet als Regisseur mit den Blaumeier-Ateliers in Bremen, und die drei Hauptdarsteller kennt er aus seinen Projekten. Auch die Finanzierung war mehr als schwierig: Noch zu Beginn des Films fehlte die Hälfte des Geldes. Der französische Partner sprang acht Wochen vor Drehbeginn ab. Schließlich rief Besuden mit Zeitungsannoncen dazu auf, für den Film zu spenden: 1127 Menschen folgten dem Ruf. Christina Tilmann

Broadway, FT Friedrichshain, Hackesche Höfe, Kant, Yorck und New Yorck

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