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Lebensdichtung: Cees Nooteboom erhält den Ehrendoktor der FU

Nicht nur den Ehrendoktor erhält der Weltliterat Cees Nooteboom von der Freien Universität Berlin - sondern dazu auch noch einen Bibliotheksausweis.

Die Gelegenheit ist einfach zu günstig, um sie verstreichen zu lassen. Am Ende, als alle Reden gehalten und ein paar von Cees Nootebooms Berliner Notizen gelesen sind, bittet der Dekan des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften Peter-André Alt noch kurz um Ruhe und verkündet, Cees Nooteboom jetzt noch einen FU-Bibliotheksausweis überreichen zu wollen. Damit hat er die Lacher im vollen Hörsaal 1a der Rostlaube auf seiner Seite. Auch Nooteboom, der tags zuvor nicht in die Staatsbibliothek eingelassen worden war, hat seinen Spaß und präsentiert sich abschließend mit der Ehrendoktorurkunde in der einen und dem Bibliotheksausweis in der anderen Hand.

Doch ihm ist auch bewusst, dass so etwas wie in der Staatsbibliothek nicht nur „Weltliteraten“, sondern jedem Berliner widerfahren kann. Und als einen solchen kann man Nooteboom durchaus bezeichnen, nachdem er 1963 erstmals nach Berlin gekommen war, um vom sechsten Parteitag der SED zu berichten, und er 1989 in Berlin den Fall der Mauer miterlebt hatte. Seitdem ist seine Bindung zu Berlin eine enge, intensive, wovon nicht zuletzt seine „Berliner Notizen“ und der Berlin-Roman „Allerseelen“ zeugen. Es folgten weitere Besuche, und seit Oktober hält sich Nooteboom wieder längere Zeit in Berlin auf, auf Einladung der nordrhein-westfälischen Landesvertretung.

Von dieser Berlin-Beziehung ist an diesem Abend, da Nooteboom die FU-Ehrendoktorwürde erhält, natürlich viel die Rede. Doch es fällt auch auf, wie gut die drei akademischen Vorredner mit ihren Laudatios die Ansprache  Nootebooms vorbereiten. Sie erläutern die Intertextualität seines Werks, legen dar, dass die Zeit für Nooteboom ein immerwährendes unlösbares Rätsel ist, dass das Motiv des Reisens, auch des literarischen Reisens, für ihn in der Fiktion genauso bestimmend ist wie in der Wirklichkeit. Und Nooteboom gibt daraufhin einen kurzen Abriss seines Lebens und seiner Verbindung zu Deutschland, der vor allem eine poetologische Selbstauskunft ist.

Seine Erinnerung, so Nooteboom, setze ein mit ein paar Deutschen, die vom Himmel fielen – es waren Fallschirmjäger und Nooteboom damals sechs Jahre alt. Möglicherweise habe auch sein von der „Idee der Erinnerung“ geprägtes Schreiben an diesem Tag begonnen, denn für sein Gefühl habe er alles, „was diesem Tag vorausging, aus meinem Gedächtnis verjagt“. Weshalb es ihm manchmal vorkomme, „dass ich mein Leben möglicherweise erdichtet habe, einschließlich der echten Erfindungen, die zu diesem Leben gehören und die wir Romane und Erzählungen nennen“.

Und solcherart begibt sich Nooteboom noch tiefer in Zeit und Raum. Er sieht sich hier in der FU über das Einsetzen seiner Erinnerung reden. Schreibt seine Rede an dem Tag, an dem Barack Obama US-Präsident wird. Erinnert sich dabei an eine Busfahrt 1957 von New York nach Miami, an seine Scham, weil Männer wie Obama hätten hinten sitzen müssen. Und erwähnt wieder den Mauerfall, seine Zeit in Berlin, um dann zweideutig anzufügen: „Das war gestern.“Gerrit Bartels

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