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Legende des Forums: Der schweigsame Aki Kaurismäki

Der wilde Finne Aki Kaurismäki und seine Festivalkarriere.

Sind das Bedingungen für ein Interview? Ein Treppenhaus im Rockschuppen Huxleys an der Hasenheide: Der Regisseur sitzt in abgewetzter Lederjacke und Jeans auf den Stufen, er raucht, er hat keine Lust zu reden, er trinkt Weißwein aus der Flasche, es ist Vormittag. Er sagt: „Es ist Zeit aufzuhören. Keine Filme mehr zu machen.“ Er sagt: „Das Arbeiten bringt mich um. Ich rauche zehn Schachteln am Tag. Ich saufe wie ein Loch. Und da ist meine Frau, da sind meine Hunde, denen will ich auch noch was vom Leben geben.“

Jetzt bloß nicht reinfallen auf die Rolle, die sich als Identität ausgibt. Aki Kaurismäki will nur spielen, wie immer, an diesem diesigen Februartag 1994, er wird schon weitermachen wie immer, weitersaufen, weiterdrehen. Oder muss er diese Rolle bloß spielen, weil die Forum-Fans sich so an den wilden finnischen Clochard gewöhnt haben, der nach der Vorführung seiner stillspröden Filme stets leicht schwankend das Podium betritt und in 15 Minuten höchstens 30 finstertönende Wörter sagt? Ja, eigentlich sollten wir jetzt das Aufnahmegerät ausschalten, uns an eine alte Musikbox lehnen, wie sie in jedem seiner Filme vorkommt, einen finnischen Tango hören, wie er in jedem seiner Filme vorkommt, und aneinander vorbeischweigen wie die Helden seiner Filme.

Sechs Jahre vorher, da war Kaurismäki 31, hatte das Forum, seine Herzensheimat, erstmals einen Kaurismäki-Film gezeigt, „Hamlet Goes Business“. Und zeigte dann, sechs Jahre lang, jährlich seinen jährlich neuen. Der Anfang ging so: Eine finnische Freundin hatte die Forumsmacher Ulrich und Erika Gregor auf das Brüderpaar Mika und Aki Kaurismäki hingewiesen. Der eine hätte in München studiert und sei begabt, der andere schreibe Drehbücher und sei ein Genie. Also sind sie, erinnern sich die Gregors, immer kurz nach Weihnachten nach Helsinki gefahren, haben den neuen Kaurismäki geguckt und gebucht und sind abends mit Aki essen gegangen. Und immer hätte er da lobende Worte über seinen neuesten Film hören wollen, unsicher eben, „wie jeder gute Regisseur“.

Alte Geschichte. Schöne Geschichte. So kam es zu „Ariel“, zu den „Leningrad Cowboys“, zu „I Hired a Contract Killer“, zum „Leben der Bohème“ und zum „Mädchen aus der Streichholzfabrik“, dessen finnischer Titel „Tulitikkutehtaan tyttö“ noch viel schöner klingt. Und 1999 zum Stummfilm „Juha“, mit legendär minutenlangem Schweigen des betrunkenen Regisseurs beim Publikumsgespräch in der Akademie der Künste. Später, in Cannes, wurde Kaurismäki noch berühmter und verfehlte 2002 mit seinem wunderbaren „Mann ohne Vergangenheit“ knapp die Goldene Palme. Aber das ist eine andere, die kleinere Geschichte.

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