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Kultur: Leid und Leidenschaft

LIEDERABEND

Gepflegter Weltschmerz herrscht in Michail Glinkas Liedern, unglückliche Liebe ist das beherrschende Thema, während die Vögel der Umgebung melancholisch zwitschern. Erst in der Puschkin-Vertonung „Ich erinnere mich“ kommt dieser Weltschmerz endlich in Fahrt, gewinnt der musikalische Gestus an Schwung. Hier fühlt sich die russische Sopranistin Maria Guleghina hörbar wohl, hier kann die große Stimme ungezügelt ausschwingen und entwickelt große Überzeugungskraft. In den kleinformatigen Kammerstücken zuvor musste sie ihre immensen Ausdrucksmöglichkeiten allzu sehr im Zaum halten. Vor lauter Vorsicht blieb auch die untergründig brodelnde Leidenschaft dieser Lieder im Verborgenen.

Wie viele andere Gesangsstars findet auch Maria Guleghina erst im Zustand stimmlicher Vollreife nach Berlin. Schon vor Jahren feierte sie grandiose Erfolge, vor allem als Verdi-Heroine. Aber der Weg von Lady Macbeth und Abigaille zurück zur kleinen Form des Lieds ist steinig und gefährlich. Am ehesten gelingt er der Sopranistin in den Liedern von Donizetti und Rossini, die sich umstandslos in Opernszenen fassen lassen. Besonders Anzoletas Hoffen und Bangen um den Liebsten in Rossinis „Venezianischer Regatta“ gelingt ihr hinreißend, auch die große Sehnsuchtsemphase des „Verbannten“ bläst die wenigen Zuhörer in der Deutschen Oper geradezu von den Sitzen. Koloraturleichtigkeit und sanft flutende Höhe sind indessen ihre Sache nicht mehr. Die charmant verschatteten Miniaturen von Bellini und Donizetti malt sie eher mit dem dicken Pinsel nach. Umjubelte Zugaben von Puccini und Giordano. Große Effekte im großen Saal, da toben die Fans.

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