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Kultur: Leid & Lied

Musik aus Theresienstadt in der Neuköllner Oper.

Fast zu schön könnten diese Gesänge erscheinen, die in Terzen- und Sextenseligkeit mäandern. Doch die behutsame Zusammenstellung von Liedern und Gedichten der jüdischen Dichterin Ilse Weber, die das „Ensemble Zwockhaus“ unter dem Titel „Mit der Gitarre durch Theresienstadt“ auf die Studiobühne der Neuköllner Oper bringt, lässt keinerlei sentimentale oder moralisierende Peinlichkeit aufkommen (wieder am 4. und 10. November). Die einfachen Melodien, die die als Krankenschwester im „Vorzeigelager“ der Nazis arbeitende Weber „ihren“ Kindern vorsang, hat Winfried Radeke mit klangvollen, harmonisch reichen Arrangements unterlegt. Wenn im „Emigrantenlied“ Kontrabass, Akkordeon und Gitarre den Refrain „Denn alles wird gut“ mit zornig knurrenden Bassfiguren kommentieren, die Stimmen von Maria Tomaschke und Andreas Jocksch sich erst trotzig aufschwingen und schließlich fast brechen – dann ist ein Maximum an differenzierter Ausdeutung, eine bewundernswerte Verbindung von Einfachheit und Kunstfertigkeit erreicht.

In schlüssiger Dramaturgie spannt sich ein Bogen von Leid zu Leid – nicht ohne kleine Freuden hervorblitzen zu lassen. Das kann das Wiegenlied für eine Puppe sein oder der sarkastisch kommentierte „Punkteschein für gutes Benehmen“ – mit dem man Gegenstände von Verstorbenen oder Bestohlenen erwerben konnte. Doch Stimmungen von Sehnsucht und Bedrückung dominieren neben scharfer Beobachtung des Elends. Heilere Welten beschreibt Weber in ihren „Geschichten für jüdische Kinder”. Im Theresienstädter Krankenhaus dagegen stirbt ein Kind, vom ergreifenden Wiegenlied „Wiegala“ besungen. Trotz aller Bedrückung, Misshandlung und Tod gibt Weber ein „Bekenntnis“ zum Judentum ab; „wie eine offene Wunde“ und doch mit Stolz zu tragen – am 6. Oktober 1944 begleitete sie einen Kindertransport ins Gas von Auschwitz. Isabel Herzfeld

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