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Weltbürger. Juan Gaitán, im Hof der Kunst-Werke, wo auch das Biennale-Büro residiert.

© Doris Spiekermann-Klaas

Leiter der 8. Berlin-Biennale Juan Gaitán: Aus dem Logbuch eines Städtebewohners

Noch kennen ihn nur die Insider. Das könnte sich bald ändern, denn Juan Gaitán leitet die Berlin-Biennale 2014. Ein Werkstattbesuch.

So ganz kann sich Juan Gaitán noch nicht entscheiden, jetzt einfach alles stehen und liegen zu lassen. Auch seine Mitarbeiterin zieht die Stirn in Falten. Doch dann begibt sich der Kurator der nächsten Berlin-Biennale die gewundene schmale Treppe des Barockhauses hinunter in den Hof der Kunst-Werke, wo sich das Café Bravo befindet. Der verspiegelte gläserne Pavillon steht in eigentümlichem Gegensatz zur gemütlichen Hinterhofatmosphäre mit Kopfsteinpflaster und Bäumchen.

Das klare, fast kühle architektonische Statement des amerikanischen Minimalisten Dan Graham bekommt etwas von einer rettenden Insel. Ein temporärer Fluchtort vor den Herausforderungen einer Großausstellung, der mühseligen Suche nach Ausstellungsorten, der anstrengenden Akquise von Sponsoren. Hier lässt sich frei erzählen von Biennale-Konzepten, Berlin als Stätte permanenter Veränderung und der Kunst als Vehikel. Und einen Cappuccino gibt es auch noch dazu Die Eröffnung der 8. Berlin-Biennale am 28. Mai 2014 rückt in solchen Momenten sehr weit weg.

Als im Herbst 2012 bekannt gegeben wurde, dass Juan A. Gaitán der nächste Biennale-Chef sein würde, waren die Reaktionen verhalten. Juan wer? Das könnte sich bald ändern, denn der Posten hat sich erst jüngst als karrierebefördernd erwiesen. Der gerade berufene neue Documenta-Macher Adam Szymczyk präsentierte vor fünf Jahren zusammen mit Elena Filipović eine hervorragende Berlin-Biennale, die bei der Documenta-Berufungskommission nachhaltig Eindruck hinterlassen hat. Berlin ist also eine wichtige Station auf dem internationalen Kuratorenkarussell.

In Deutschland hat sich Gaitán noch keinen Namen gemacht. Nur so viel wurde von dem Kanadier mit kolumbianischen Wurzeln offiziell mitgeteilt, dass er zuletzt als außerordentlicher Professor des Programms für kuratorische Praxis am California College of Arts in San Francisco gelehrt hat, zwischen 2009 und 2011 in Rotterdam am Witte de With Center for Contemporary Arts gearbeitet und sein Kunst- sowie Kunstgeschichtsstudium an der University of British Columbia und am Emily Carr Institute of Art and Design absolvierte. Und dass er zwischen Berlin und Mexiko-Stadt pendelt, wo er als Kurator der Júmex-Collection tätig ist. Sie gilt als größte Privatsammlung Südamerikas.

Wenn das keine interessante Biografie ist. Nur dürfte sich auch mit Gaitán die von vielen erhoffte Rückkehr zum traditionellen Ausstellungsmodell nach dem Desaster der letzten Berlin-Biennale kaum bewerkstelligen lassen. Die durchgefallene siebte Ausgabe von Artur Zmijewski, der seine Ausstellung glücklos für die Protestbewegung Occupy zu öffnen versuchte und sich auch sonst ungeschickt für eine Waffenbruderschaft von Kunst und Politik verkämpfte, steckt den meisten noch in den Knochen.

Doch der Berlin-Biennale ist seit ihren Anfängen Ende der neunziger Jahre in die Matrix eingeschrieben, dass sie sich der Stadt und ihrer aktuellen Befindlichkeit stellen muss. Gaitán könnte da der Richtige sein, bringt er doch einen politischen Hintergrund mit. „The End of Money“ überschrieb er eine Ausstellung 2010 in den Niederlanden, die sich kritisch mit den staatlichen Kürzungen im Kulturbereich auseinandersetzte und die Banknote als einen Avatar begriff, der sich wie Bilder in einem Wertesystem bewegt. Schließlich gilt auch die Kunst als symbolisches Kapital.

Statt in hippe Locations geht er lieber in den Imbiss um die Ecke

In Berlin ist nun aber nicht das Geld Gaitáns Thema, auch wenn er sich in der Vorbereitungsphase mehr damit beschäftigen muss, als ihm lieb ist. Mit 2,5 Millionen Euro wird die Biennale durch die Bundeskulturstiftung großzügig gefördert, doch es reicht nicht für die vielen Neuproduktionen, die Gaitán in Auftrag gegeben hat. Um die Menschen soll es in der 8. Berlin-Biennale gehen, um ihr Zugehörigkeitsgefühl zur Stadt, um Architektur als Kulisse und urbane Geschichtsschreibung. Das klingt eher vage. Der 40-Jährige möchte „die richtigen falschen Fragen“ stellen, wie er mit einem Lachen erklärt.

Um Antworten zu finden hat er ein Team um sich geschart, zu dem unter anderem die Künstler Olaf Nicolai und Danh Vo gehören. Mit dem in Dänemark aufgewachsenen Vietnamesen, der heute in Berlin lebt, hat Gaitán immer wieder zusammengearbeitet. Die beiden verbindet, dass Heimat für sie kein fester Ort ist, sondern eine dynamische Vorstellung – je nachdem, wo sie gerade leben und arbeiten. Er selbst habe nie ein Zugehörigkeitsgefühl empfunden, so Gaitán, dem alles Nationale fremd ist. „Wie positionieren wir uns?“, will der Weltbürger wissen. „In welchem emotionalen Verhältnis stehen wir zu unserer Geschichte?“ Über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses schüttelt Gaitán den Kopf und erinnert sich gern an die Zeit der Baulücken in Mitte zurück. Die neuen hippen Locations locken ihn nicht; lieber zieht er sich in einen türkischen Imbiss um die Ecke der Kunst-Werke in der Auguststraße zurück, um seine Ruhe zu haben. Oder ins Restaurant Florian in Charlottenburg.

Vielleicht liegt es auch daran, dass sich die Berlin-Biennale mit ihren Schauplätzen an die Peripherie bewegt. Gerade wurden neben den Kunst-Werken in der Auguststraße als Ausstellungsorte das Haus am Waldsee in Zehlendorf und die Staatlichen Museen in Dahlem bekannt gegeben. Auch das erste Projekt, mit dem die Kunst-Werke als Appetizer für die Biennale ins neue Jahr starten, nimmt Fäden der Vergangenheit auf, von den Rändern Europas. Der griechisch-norwegische Künstler und Architekt Andreas Angelidakis wird im Vorderhaus der Kunst-Werke einen Raum einrichten, der am Beispiel der Teppichproduktion zeigt, wie bestimmte Muster durch die Zeiten mäandern und ihren Weg in andere Länder finden, etwa über griechische Gastarbeiter in der Bundesrepublik. Auf den Flohmärkten Athens erwarb der Künstler Exemplare des 19. Jahrhunderts, mit denen er eine Lounge ausstatten wird, die dann für künftige Veranstaltungen zur Verfügung steht. Und für die Auszeiten des Biennale-Kurators. Seinen Cappuccino bekommt Gaitán gewiss auch dort.

Andreas Angelidakis: Crash Pad. Kunst-Werke, Auguststr. 69, 26. 1. bis 3. 8.

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