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Kultur: Lenker der Pferde

Die Berliner Akademie der Künste ehrt ihren einstigen Präsidenten Schadow

34 Jahre lang! Kein anderer vor ihm oder nach ihm hat diesen Job so lange gemacht wie er. Der Bildhauer Johann Gottfried Schadow war von 1815 bis zu seinem Tod 1850 Präsident der Berliner Akademie der Künste. Der Schöpfer der Quadriga auf dem Brandenburger Tor gehörte zu den Kunststars seiner Zeit – und blieb doch zeitlebens dem noch recht beschaulichen Berlin verbunden. Ein wenig nostalgisch könnte man schon werden, angesichts der aktuellen Präsidentenmisere der Akademie. Obwohl: Ein Generationsproblem hatte die Akademie schon damals. 1838 stellte der 74-jährige Schadow, der an grauem Star litt, einen Antrag auf Pensionierung. Die preußische Regierung gebot ihm, im Amt zu bleiben. Der Bildhauer gehorchte stoisch.

Die Akademie der Künste feiert ihren einstigen Direktor am heutigen Abend mit einem „Schadow-Fest“. Präsentiert wird das gerade erschienene dreibändige Werkverzeichnis seiner Zeichnungen, für das die Kunsthistorikerinnen Sibylle Badstübner-Gröger, Claudia Czok und Jutta von Simson rund 2200 Blätter gesichtet, beschrieben und bewertet haben. 1200 von ihnen gehören zur Sammlung der Akademie – ein Berliner Bilderschatz, der dem zeichnerischen Nachlass Adolph von Menzels im Kupferstichkabinett in nichts nachsteht.

Schadow konnte, und darin unterscheidet er sich von vielen seiner Zeitgenossen, ziemlich ungeschminkt zeigen, was er sah. Neben Göttinnen mit Idealmaßen finden sich Karikaturen wie die des übergewichtigen Philosophieprofessors Johann Gottlieb Fichte, der breitbeinig seine ungeordneten Gedanken verdaut. 1849 resümiert Schadow in seinen Memoiren: „Durch die Natur verführt, wird man nicht (...) in einer Imitation des Idealstils der Antike verbleiben, sondern seine Originalität darbieten.“

Ihre größten Triumphe feierte Schadows Originalität vor 1806. Für das von Carl Gotthard Langhans entworfene Theater auf dem Gendarmenmarkt hatte der Hofbildhauer noch fast die komplette künstlerische Ausstattung geliefert: von den Skulpturen im Giebelfeld bis zu den – einfach großartigen – Entwürfen des Bühnenvorhangs. 20 Jahre später durfte er für den Neubau des abgebrannten Theaters durch Schinkel lediglich ein paar Büsten machen. Nun war Christian Daniel Rauch, sein Meisterschüler, der führende Bildhauer. Sein Ruhm, so witzelte Schadow, sei in Rauch aufgegangen. Mit dem Posten als Akademiedirektor wurde er kaltgestellt. Ernst genommen hat er ihn trotzdem: Bis 1828 lehrte Schadow an der Akademie, die damals noch eine Ausbildungsstätte des künstlerischen Nachwuchses war, viermal pro Woche je acht Stunden das „Modellieren nach antiken Statuen“.

Sein Sohn Wilhelm hat ihn als Lehrer dennoch überflügelt. Als Direktor reformierte der Portrait- und Historienmaler ab 1826 die Düsseldorfer Akademie zur führenden Kunstschule Preußens. Noch in Berlin malte Wilhelm Schadow 1819 den 55jährigen Vater: würdig, entschlossen, ein wenig verkniffen. Die Berliner Akademie der Künste konnte das Gemälde nun von den Nachkommen erwerben und wird es ebenfalls heute präsentieren. In die linke obere Ecke malte der Sohn übrigens ein Siegel mit dem Profil Albrecht Dürers. Seine Botschaft ist eindeutig: der Vater als der neue Dürer der Berliner Kunst-Renaissance.

Johann Gottfried Schadow: Die Zeichnungen. Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, drei Bände, zusammen 1000 Seiten und 2474 Abbildungen, 248 Euro. Die Eintrittskarten für das „Kleine Schadow-Fest“ der Akademie, heute ab 19 Uhr am Pariser Platz 4, sind ausverkauft.

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