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Verbringe deine Freizeit mit Faust, Figaro und Nofretete, dann klingelt jedes Mal auch die private Kasse, sagt Frederik Hanssen.

© Thilo Rückeis

Leserdebatte: Kultursubvention: Holt euch euer Geld zurück!

Konzerte, Theater, Museen: Wer Kunst genießt, die mit Steuermitteln gefördert wird, refinanziert die eigenen gezahlten Abgaben. Mit welcher Kunstform sparen Sie am liebsten Steuern? Diskutieren Sie mit, liebe Leserin, lieber Leser!

Es ist ja nicht so, dass wir griechische Verhältnisse hätten. Im Prinzip sind die Deutschen durchaus bereit, Steuern zu zahlen. Nur in der Praxis stellen sie die unmöglichsten Dinge an, um sich einen Teil der vom Finanzamt eingezogenen Summe wieder zurückzuholen. Sie stöbern nach Schlupflöchern in Gesetzestexten, sie beschäftigen Berater (deren Honorare sich wiederum mindernd anrechnen lassen). Dabei kann man beim Steuersparen so viel Spaß haben. Gerade in einer Stadt wie Berlin.

Hier werden, für jeden zugänglich, pro Monat tausend ganz legale Steuertricks offeriert: in den staatlich subventionierten Kultureinrichtungen. Ja, ganz genau: Wer aktiv Kunst genießt, die aus Steuermitteln finanziert wird, holt sich damit sein Geld zurück. Wird uns nicht in den Medien regelmäßig genüsslich vorgerechnet, dass jeder Sitzplatz in der Deutschen Oper pro Abend mit 177,36 Euro bezuschusst wird? Bei den Orchestern sieht das kaum anders aus. Und Berlins Museen erhalten pro Jahr 200 Millionen aus dem Staatssäckel. Da ist die Rechnung ganz einfach: Verbringe deine Freizeit mit Figaro, Faust und Nofretete, dann klingelt jedes Mal auch die private Kasse! Ein Abo bei den Philharmonikern, ein Stammplatz im Theater, eine Museums-Dauerkarte ersparen den Steuerberater. Kulturbanausen verbauen sich diese Möglichkeit der Refinanzierung. Als Klassik-Fan habe ich dagegen – gefühlt – noch nie einen Cent Steuern gezahlt.

Wir Bildungsbürger profitieren am meisten von den staatlichen Segnungen. Zumindest von jenem Teil, der unter dem Rubrum „freiwillige Ausgaben“ in den Etats firmiert. Wir sitzen nicht nur in den Zuschauersälen und durchstreifen die heiligen Hallen der Alten Meister, wir nutzen auch die Angebote der Volkshochschulen, entleihen Bücher in den Stadtteilbibliotheken und schicken unsere Kinder in die Musikschulen. Alles vom Staat bezuschusste Institutionen. Kurz: Überall da, wo sich der Staat finanziell mildtätig zeigt, sind wir dabei. Na, gibt euch das zu denken, ihr kulturfernen Steuermuffel?!

Vielleicht ist ja die Zeit reif für eine neue Blüte bürgerlicher Tugenden: Die beinhalten schließlich nicht allein unsexy Zumutungen wie Rücksichtnahme, Zuverlässigkeit, Fleiß und Gesetzestreue, sondern auch das Gebot der geistigen Weiterentwicklung. Daher rührt ja die traditionelle Unterscheidung von E und U in Deutschland, also das Differenzieren zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Kunst. Letztere soll uns vom Alltag ablenken, uns zerstreuen, ins Reich der Illusionen entführen.

Die andere Kunst dagegen, die gute wahre schöne, will ernst genommen sein. Entertainment lädt zum Relaxen ein, ernste Kunst zur Reflexion. Der Zuhörer, der Betrachter muss sich auf sie einlassen, muss bereit sein, sich über das gewohnte Maß hinaus zu konzentrieren, einzutauchen in komplexe, zunächst vielleicht rätselhafte Welten. Vielleicht wird er sich sogar vorbereiten, auf jeden Fall sollte er anschließend nachdenken.

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Rationalisierung und Automatisierung können nicht greifen

Karl Valentins Bonmot „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ gilt eben nicht allein für die Ausführenden, sondern auch fürs Publikum. Durch Investitionen in die sogenannte Hochkultur wird dieses Bemühen auf beiden Seiten belohnt. Darum erhält ein Stadttheater Geld vom Staat, ein Komödienstadl aber nicht. Darum werden die Konzerte des Deutschen Symphonie-Orchesters subventioniert, die Crossover-Shows von David Garrett aber nicht. Wobei es ja so ist, dass auch der Erotikgeiger im staatlich geförderten Kulturbetrieb groß geworden ist. Als Wunderkind wurde er einst von Staatsorchestern als Solist eingeladen, er hat an einer öffentlichen, kostenlosen Hochschule studiert. Überhaupt ist keiner der aktuellen Klassikstars einfach so auf dem freien Markt gewachsen. Mit den Arena-Auftritten von Lang Lang, Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann könnten private Veranstalter heute Gewinn machen, weil diese Künstler Gelegenheit hatten, im öffentlich geförderten Kulturbetrieb zu Stars heranzuwachsen.

Rationalisierung und Automatisierung, die Wunderwaffen der modernen Industriegesellschaft, können nicht greifen, wo klassisch Kultur gemacht wird. Hier ist alles handgemacht, vom historischen Kostüm über den Scheinwerfer, mit dem ein Beleuchter den Protagonisten ins rechte Licht rückt, bis hin zum einzelnen Geigenton. Das ist das Wunderwerk der Livekultur: dass wir uns solchen Luxus leisten, weil uns die Auseinandersetzung mit den Meisterwerken der Vergangenheit, den gemalten wie den gedruckten, immer aufs Neue inspiriert. Weil uns Shakespeare, Verdi, Goya weiterhelfen bei der Suche nach uns selbst, Antworten auf die Frage anbieten, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Also, liebe Couchpotatoes, rein in die Schauspielhäuser, Museen und Konzertsäle! Selbst wenn ihr jeden Abend 3sat und Arte anschaltet, tickt die Steueruhr weiter, während ihr zu Hause herumlümmelt! Eine Geld-zurück-Garantie gibt es nur mit den Eintrittskarten zur Livekultur. Ihr braucht euch nur ein wenig zu informieren, um den Abgabenrückfluss zu optimieren. Geht man von der Überschlagsrechnung der Pro-Platz-Subvention aus, kann man bis zum Sechsfachen der eingesetzten Summe an Steuergeld sparen. Entgegen landläufigen Vorurteilen lassen sich selbst für Auftritte von Daniel Barenboim und Simon Rattle immer wieder auch Tickets für unter 30 Euro schnappen – wenn man auf dem Quivive ist, die Programmbroschüren und das Vorverkaufs-Kleingedruckte genauso gewissenhaft studiert wie später das Erlebte. Es soll übrigens auch im Theater äußerst spannende griechische Dramen geben.

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