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Lesung aus Kehlmanns Roman: Daniel Kehlmann und Ulrich Matthes im BE

Ruhmesblatt für einen Schauspieler: Ulrich Matthes liest nicht nur aus Daniel Kehlmanns Roman "Ruhm", er geht vollkommen in der Geschichte auf.

So kann es gehen, wenn der gerade berühmteste Schriftsteller der Welt im deutschsprachigen Raum zur Premiere seines neuen Buches erscheint und dieses den Titel „Ruhm“ trägt, aber eigentlich vom Verschwinden handelt: Dann macht es selbst in einem Theater wie dem Berliner Ensemble in einem fort „klick“, „klick“, „klick“, dann drängeln sich die Fotografen am Bühnenrand, dann können diese erst durch eine barsche Aufforderung des Schauspielers Ulrich Matthes zum Verlassen des Saales bewegt werden.

Ulrich Matthes liest mit Daniel Kehlmann aus dessen am vergangenen Freitag veröffentlichten Buch „Ruhm“, und schnell spürt man beim Zuhören, warum Matthes sich wirklich sehr gestört fühlt. Er liest nicht einfach nur, er performt Kehlmanns Geschichte „Rosalie geht sterben“, er geht in ihr auf: hochkonzentriert, sich ganz in die Figur der Rosalie einfühlend, aber auch jedes Detail, jede Wendung und jeden erzählerischen Eingriff aufs Feinste herausarbeitend.

Ulrich Matthes zeigt vollem Einsatz

Matthes’ Lesung ist ein Erlebnis – großes Kino, um es popistisch auszudrücken. Wie sehr Matthes sich herschenkt, wie sehr ihn Kehlmanns Geschichte und die eigene Performance bewegt hat, das zeigt sich danach, als er den neben ihm sitzenden Kehlmann umarmt, herzt, rechts küsst, links küsst. Nur zu logisch ist es, dass er sich nach Kehlmanns Einsatz auch noch der stilistisch am meisten aus dem „Ruhm“-Rahmen fallenden Geschichte annimmt, „Ein Beitrag zur Debatte“. Diese ist stringent in der Sprache eines Internetfreaks gehalten, einer Kunstsprache, wie Kehlmann später erklären wird. So wie Matthes sie vorträgt, bekommt diese Geschichte einen Drive, der ihr beim stillen Lesen abgeht. Überhaupt verhält es sich an diesem Abend so, als gewinne „Ruhm“ live noch einmal an Format, als würden die Geschichten erst laut vorgetragen ihre Unterhaltungsqualitäten so richtig entfalten können, als würde hier ihre sehr offensichtliche Gemachtheit, ihre im Verlauf zunehmend müder machende Konstruiertheit nach Art einer postmodernen Klippschule in den Hintergrund treten.

Man ist, was ja nach handelsüblichen Lesungen selten vorkommt, vollauf zufriedengestellt und dann gar nicht mehr so gespannt auf das Gespräch, das im Anschluss der Kehlmann-Freund und Chefredakteur der Zeitschrift „Sinn und Form“, Sebastian Kleinschmidt, mit Kehlmann führt. Tatsächlich halten sich beide streng an die drei vorgetragenen Geschichten aus „Ruhm“, die der Autor noch einmal freundlich und ausführlichst auf ihre literarische Konstruktion hin erläutert. Etwa dass „Rosalie geht sterben“ eine theologische Geschichte sei, weil sie auf eine Erlösung hinauslaufe, nicht nur bei der Hauptfigur Rosalie, die doch nicht sterben muss, sondern auch bei ihrem Erfinder, dem Schriftsteller, der sich am Ende selbst die Hoffnung macht, dass ihm dereinst dasselbe widerfahren könnte. Oder dass er bei „Antwort an die Äbtissin“ weniger an Paulo Coelho gedacht habe, sondern ihm die Idee durch die Tagebücher von Mutter Teresa gekommen sei. Darin habe sich diese in ihren letzten Lebensjahren eher verzweifelt und alles andere als gottesgläubig gezeigt. Und dass er, Kehlmann, für „Ein Beitrag zur Debatte“ zwar in Internetforen recherchiert habe, das aber nur kurz, um daraufhin eine ganz eigene Sprache zu finden, „sonst wäre das zu reportagenhaft, zu soziologisch geworden und in zwei Monaten wieder vergessen“.

Ein Geheimnis bleibt

Am Ende möchte Kleinschmidt noch kurz über das Genie und das Geniale in Kehlmanns Werk sprechen und stellt die These auf, in „Ruhm“ sei das Geniale in die Struktur immigriert – wozu Daniel Kehlmann dann gar nicht mehr groß was sagt, das nimmt er einfach an, dankend. Denn vielleicht möchte auch er, bei aller Offenherzigkeit, aller Bereitwilligkeit, über seinen „Roman in neun Geschichten“ zu sprechen, dem Buch wenigstens ein Geheimnis lassen. 

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