zum Hauptinhalt
Simon Halsey und Gijs Leenaars.

© Gregor Fischer / dpa

Letztes Konzert in der Philharmonie: Simon Halseys große Sause

Er leitete in Berlin die beliebten Mitsingkonzerte und führte den Rundfunkchor zur Weltspitze: Chorleiter Simon Halsey verlässt Berlin. In der Philharmonie feierte er sein mitreißendes Finale.

Zum Abschied ein Requiem – das klingt trauriger, als es ist. Denn wenn Simon Halsey zum letzten Mal als Chefdirigent vor dem Rundfunkchor steht, mit Verdis „Messa da Requiem“, dann wird das noch mal die ganz große Sause. Das längst ausverkaufte Konzert in der Philharmonie gehört nämlich zur Gattung der beliebten Mitsingkonzerte, bei dem über 1000 Laien mitmachen, Halsey wird wieder beseelt im Zentrum stehen und alle Fäden in der Hand halten. Ein grandioses Finale, das noch mal viel von dem bündelt, was seine Arbeit in den letzten 14 Jahren ausgezeichnet hat: die Fähigkeit, mit Profis und Liebhabern mit gleicher Begeisterung und Empathie zu arbeiten. Seine Entertainerqualitäten, seine ansteckende, bubenhafte Freude an dem, was er tut, seine Kunst, andere mitzureißen. Außerdem stehen die Mitsingkonzerte beispielhaft für die Öffnung, die Hinwendung zum Publikum, die Halsey und Chordirektor Hans-Hermann Rehberg im Rahmen des Projekts „Broadening the Scope of Choral Music“ betrieben haben.

Wo Halsey herkommt, gehören sie zur kulturellen Tradition. England – in Deutschland belächelt als „Land ohne Musik“, zu sehr mit Handel (und ja, ein bisschen auch mit Händel!) und dem Zusammenklauben eines Empires beschäftigt, um sich der Kunst zu widmen, ein Land, das keinen bedeutenden Komponisten in den 200 Jahren zwischen Purcell und Britten hervorgebracht hat – so das Klischee, das nicht ganz falsch ist. Mit Chorgesang ließ sich das Manko kompensieren. Chöre gehören zur englischen Identität, Simon Halsey ist durch und durch von ihr geprägt. Blutjung hat er im Chor des King's College von Cambridge in Purcells „Dido und Aeneas“ gesungen, mit 26 die Leitung des City of Birmingham Symphony Chorus übernommen.

Halsey hat den Rundfunkchor zur Weltspitze geführt

Menschen singen überall gerne. Den Löwenanteil stemmen Ehrenamtliche, echte Profichöre sind rares Gut. Halsey selbst kennt nur 15 – weltweit! Zwei davon, der Rundfunkchor und der Rias Kammerchor, sind in Berlin zu Hause, neben den Chören der drei Opernhäuser. Sein Verdienst ist es, dass der Rundfunkchor heute Weltspitze ist und mehrere Grammys bekommen hat.

Weil ihn die Sorge umtreibt, dem Chorgesang könnten Nachwuchs und Publikum doch irgendwann ausgehen, hat Halsey das „Scope“-Projekt initiiert: Raus aus der schützenden Konzertsaalhülle. Den Radius erweitern. Ins Berghain gehen, ins Kraftwerk an der Köpenicker Straße, ins Radialsystem. Halsey hat mit Abenteuerlust neue Orte aufgespürt und zugleich demütig das Schicksal eines Chorleiters angenommen: im Verborgenen zu ackern, um dann, im Konzert, alles in die Hände des Orchesterdirigenten zu legen. Dass der Rundfunkchor viel mit den beiden Rundfunkorchestern DSO und RSB macht, ist logisch, die Kooperation vertraglich festgelegt. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern hat sich in Halseys Zeit deutlich intensiviert. Kein Wunder, Simon Halsey und Simon Rattle kennen sich seit Jahrzehnten, ihre Karrieren laufen parallel, erst in Birmingham, dann in Berlin.

Und jetzt gehen beide zum London Symphony Orchestra, Rattle als Orchester-, Halsey als Chorleiter. In Berlin übernimmt der Niederländer Gijs Leenaars. Im Mai 2016 kommt Simon Halsey wieder nach Berlin, jetzt als Ehrendirigent. Um – genau! – ein Mitsingkonzert zu leiten.

Zur Startseite