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Konstruktive Präzision.

© Michael Brunner

Kultur: Licht und ergreifend

Preisgekrönt: Der Berliner Architekt Volker Staab hat spektakuläre Museen entworfen – und eine Kita in Mitte

Eigentlich wollte Volker Staab gar nicht Architekt werden. Philosophie und Kunst waren die erste Wahl. Er wechselte dann doch zur Architektur, ohne klare Vorstellung von dem Fach, wie er sagt, und legte 1983 an der ETH Zürich sein Diplom ab. Einer der Stilleren unter den namhaften Baumeistern, ist Staab spätestens mit der Verleihung des diesjährigen Großen Preises des BDA, des Bundes Deutscher Architekten, der renommiertesten Berufsvereinigung hierzulande, in der obersten Liga angekommen.

Die Nähe zur Kunst hat der gebürtige Heidelberger des Jahres 1957 nicht aufgegeben, das erkannte auch die Jury. Sie verlieh ihm den Preis mit der Begründung, dass Staab die Kunst der Architektur mit konstruktiver Präzision und städtebaulichem Einfühlungsvermögen verbinde.

Auffallend viele Museen hat sein Büro neben Hochschul- und Bildungsbauten realisiert. Immer wieder eine schöne Aufgabe, wie Volker Staab sagt. So ist es auch ein Museum, das am Beginn seiner Karriere stand und zur Bürogründung führte: das Neue Museum in Nürnberg, hervorgegangen aus einem Wettbewerb von 1991. Souverän und respektvoll zugleich sitzt es mit seiner markant gebogenen Glasfassade in der kleinteiligen Altstadt. Bezahlt wurde der Bau aus dem 400-Millionen-Mark-Topf, den der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber für den bayerischen Museumsbau zur Verfügung gestellt hatte. Gelobt als maßstabsetzend im Museumsbau, hat das Bauwerk auch heute noch einen herausgehobenen Stellenwert für das Büro. Es sei das Gebäude, in das er immer wieder besonders gerne zurückkehre, sagt Staab. Andere Bauten könnten mit der Zeit schon mal etwas verblassen.

In Schweinfurt entstand mit dem Museum Georg Schäfer (1997–2000) ein weiteres Kultur-Highlight. Auf den ersten Blick ist es ein mit Travertin verkleideter Monolith, der das gesamte Grundstück ausfüllt. Einschnitte und Loggien lockern das Volumen auf und integrieren es in die dicht bebaute Altstadt. Museen als Bauaufgabe waren Staab schon vor der Bürogründung 1991 vertraut: Als Mitarbeiter im damaligen Büro von Bangert, Jansen, Scholz und Schultes in Berlin arbeitete er zuletzt am Entwurf des Kunstmuseums Bonn mit.

Zwanzig Jahre nach der Bürogründung loten Staab Architekten wieder neue Maßstäbe im Museumsbau aus: mit der Sanierung und dem Neubau der Werkstätten und des Depots des Albertinums Dresden. 1563 errichtet, im 19. Jahrhundert umgebaut und 1889 als Museum eröffnet, ist es heute Sitz der Galerie Neue Meister und der Skulpturensammlung, beides Teile der Staatlichen Kunstsammlungen.

Die Flutkatastrophe 2002 hatte die Bestände in den Kellerdepots stark angegriffen. Staab konnte einen kühnen Entwurf durchsetzen: Der Architekt setzte dem Innenhof kurzerhand ein Dachgebäude auf. Keine Flut wird den Schätzen mehr etwas anhaben: Das neue Kunstlager und die Werkstätten schweben nun in 17 Meter Höhe über dem Hof. Eine weitere raffinierte Flächengewinnung: Die Unterseite des eingesetzten Gebäudes bildet als Lichtdecke das Dach des vormals offenen Hofs und schafft eine lichte Halle. Der Umbau begeistert Kritik und Besucher gleichermaßen.

Staab hält den Teamgedanken hoch, sieht sich eher als Moderator im Planungsprozess. Staab, Alfred Nieuwenhuizen – sein Partner seit 2007 – und ihre Kollegen beginnen immer gemeinsam mit einer neuen Bauaufgabe. Ihre Lösung verstehen sie als Verdichtungsprozess, bis hin zu einem Gebäude mit „innerer Logik“, wie Staab es nennt. Durch Diskussionen und Modellstudien entsteht ein individuelles Rezeptbuch für jeden Bau, das Ziel ist der Einklang aus Struktur und Funktion. Diese Herangehensweise ist in 20 Jahren grundsätzlich gleich geblieben. Architektur müsse nicht permanent neu erfunden, aber neuen Bedingungen angepasst werden, findet Volker Staab und gibt das auch in seiner Lehrtätigkeit als Professor an verschiedenen Hochschulen weiter, darunter 2002 eine Gastprofessur an der TU Berlin. Hauptsächlich geschieht dieses Neuinterpretieren mitten im städtischen Gefüge. Dem Büro wird dabei immer wieder ein sensibler Umgang mit der vorgefundenen Situation bescheinigt. Staab Architekten wollen „keine Ufos bauen“, keine laute Architektur. Sie sind andererseits auch nicht harmoniesüchtig. Das Überzeugende ihrer Architektur ist, dass sie unter Einsatz von wenigen, dabei hochwertigen und optisch wie haptisch anspruchvollen Materialien selbstbewusste, zeitlose Baukörper schaffen.

Wettbewerbe waren und sind die Hauptquelle für Aufträge. Volker Staab bezeichnet es als großes Glück, nach einigen Hochs und Tiefs inzwischen in einer bestimmten Qualitätsklasse wahrgenommen zu werden. Zugleich beklagt er die geringen Chancen für jüngere Büros, jedenfalls nach den derzeitigen Maßgaben im Wettbewerbswesen.

Obwohl das Büro in Berlin ansässig ist, stehen verblüffend wenige Berliner Bauten auf der Werkliste. Staab erklärt das fein lächelnd mit der Ära des langjährigen Senatsbaudirektors Hans Stimmann, zu dessen Vorstellungen die Arbeit seines Büros nicht gepasst habe. Bedauerlich einerseits, andererseits empfindet er es als Vorteil, dadurch gezwungen gewesen zu sein, sich ein breites Einzugsgebiet zu erarbeiten. Der Wertschätzung der Fachkollegen hat das keinen Abbruch getan, sie wählten Stab zum Mitglied der Berliner Akademie der Künste.

Ganz staablos ist Berlin jedoch nicht. Neben zwei Gebäuden für die Wissenschaft ist das Büro hier mit einem ungewöhnlichen Kindergarten an der Jerusalemer Straße (2000–2002) aufgefallen. Um sich zwischen zehnstöckigen Plattenbauten zu behaupten, wählten Staab Architekten eine kompakte Form, aus der kastenförmige Ausstülpungen wachsen. Sie entpuppen sich beim genaueren Hinsehen als nur für Kinder zugängliche Rückzugsnester. Das offene Innere steht im reizvollen Gegensatz zur geschlossenen äußeren Form. Die Terrasse zieht sich vom Garten über Treppen und Plattformen bis in die oberen Geschosse.

Den zeittypischen Architekturexport nach Asien findet man im Büro Staab nicht. China sei ein interessantes Reiseland, sagt Staab, aber er wisse nicht, warum er dort bauen solle. Der Auftrag für die German International School in Sydney (2003–2008) habe gezeigt, dass eine seriöse Betreuung über solche Entfernungen hinweg nicht möglich sei und man den Bauprozess zu früh abgeben müsse. Das Ergebnis war für den Architekten nicht zufriedenstellend. Im europäischen Ausland hingegen möchte das Büro gerne mehr bauen. 2013 wird die Willy- Brandt-Schule mit Begegnungskindergarten in Warschau fertig gestellt.

Auch Berlin und Umgebung bekommen weitere Bauten aus seinem Büro. In den nächsten Jahren soll ein neues Museum auf der Zitadelle Spandau entstehen, in Potsdam das Kunstgutdepot mit Werkstätten.

Christina Gräwe

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