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Kultur: Licht und Lärm

Sigur Rós lassen es im Tempodrom krachen.

Es dauert 20 Minuten, bis der Vorhang fällt. Wobei: Vorhang ist ungenau. Es ist eine Art Gazetuch, das am Anfang des Sigur-Rós-Konzertes vor die Bühne gespannt ist und dafür sorgt, dass Licht von vorne, Licht von hinten, Schatten und Videoprojektionen eine visuelle Einheit bilden, die die Herkunft der Musik, die einzelnen Beteiligten, im Unklaren lässt.

Das ist durchaus reizvoll. Aber ohne Nähe funktioniert ein Rockkonzert nicht, das weiß auch die größte Band Islands, die im vergangenen Jahr mit „Valtari“ ihr sechstes Studioalbum veröffentlichte. Und so fällt der Vorhang nach vier Songs, und man sieht doch, wie sie verstärkt von Bläsern und Streichern auf der Bühne des ausverkauften Tempodroms stehen – Frontmann Jónsi im Mittelpunkt.

Er presst sie geradezu flehentlich heraus, diese Fantasiesprache, der sich die Band seit gut 15 Jahren bedient. Und er spielt die Gitarre mit dem Geigenbogen, was das Prinzip der Musik gut erklärt: Sigur Rós nutzen das Herkömmliche, um Außergewöhnliches zu Schaffen. Sie nehmen nicht nur Post-, sondern auch normalen Stadionrock und moderne Klassik als Ausgangsposition für geschickt arrangierte Klanglandschaften, die Lärm und Stille gleichermaßen gestatten, wobei der Schwerpunkt diesmal auf Ersterem liegt.

Flankiert wird das von Videos, bei denen man oft nicht viel erkennt. Einen brennenden Wald meint man einmal auszumachen, Schneegestöber, einen Taucher und einen brodelnden Vulkan. Dazu Lichter, die das Gezackte des Hallendachs wie eine Krone aussehen lassen. Im Zusammenspiel funktioniert all das wunderbar, führt zu einer Art positiven Reizüberflutung. Auf ihrer Homepage verkauft die Band Duftkerzen, die angeblich von Island inspiriert sind, vom Island der Band. Wie das riecht, würde uns schon interessieren. Jochen Overbeck

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