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Kultur: Lichtgestalt

Ein Sammelband rechnet mit Guttenberg ab

Auf den Rausch folgt die Ernüchterung. Die beliebtesten deutschen Parteipolitiker sind derzeit Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Thomas de Maizière. Sie verströmen Seriosität und Sachlichkeit, keinen Sternenglanz. Dabei ist nicht mal ein halbes Jahr vergangen, seit Karl-Theodor zu Guttenberg der Star aller Umfragen war. Sein Sturz verlief ähnlich spektakelhaft wie sein Aufstieg. „Wir sind einem Betrüger aufgesessen“, lautete das Verdikt des Rechtsphilosophen Oliver Lepsius, der als Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater in Bayreuth lehrt. Betrogen hatte Guttenberg im juristischen Sinne mit seiner Doktorarbeit, die sich als Plagiat entpuppte. Betrogen fühlen konnte sich die Öffentlichkeit aber auch darüber hinaus von einem Mann, der stets von Anstand und Ehre sprach, bei seiner Verteidigung („Es wurde zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht“) jedoch wenig ehrenwert und anständig wirkte.

„Inszenierung als Beruf“ heißt ein aus einem Workshop am Berliner Wissenschaftskolleg hervorgegangener Band. Die dort versammelten Beiträge von Wissenschaftlern und Journalisten zum Fall Guttenberg sind oft spitzzüngig oder kämpferisch, immer aber originell. Der zurückgetretene Verteidigungsminister erscheint da als Politiker neuen Typs mit der paradoxen Begabung, so Mitherausgeber Lepsius, „Politik gerade durch die Entleerung der Inhalte und die Substitution des Inhalts durch Form dem Mann auf der Straße nahezubringen“. Macht schien durch diesen „Mediencondottiere“ (Uwe Pörksen) wieder Würde zu erlangen. Guttenberg tauschte selten politische Argumente aus, der Handstreich war – wie Tilman Allert zeigt – die für ihn charakteristische kommunikative Geste, vorgeführt beim Opel-Nein, der Entlassung des Generalinspekteurs, zuletzt der paukenschlagartigen Abschaffung der Wehrpflicht.

Guttenberg beherrschte die Kunst des Auftritts, doch im Umgang mit dem Wort war er weniger begnadet. Das Vorwort zu seiner Dissertation, in dem er Kairos als den Gott des Augenblicks beschwört, strotzt vor schwülstigen, umständlich verknoteten Formulierungen. In seiner Bundestagsrede zur Kundus-Affäre, die Reinhart Meyer-Kalkus seziert, wehrt der Minister souverän alle Angriffe mit Gegenangriffen ab und geht zu einer Stildiskussion über („Das sind Sie mit Ihrem Niveau!“). Sein Vortrag hat Züge des Schneidigen, Angriffslustigen, die an Traditionen höfisch-theatralischer Rhetorik anknüpfen. Guttenberg posierte gerne als Kämpfer. Ein Foto, das ihn in Kampfmontur vor einem Eurofighter zeigt, leitet der Kunsthistoriker Johannes von Müller aus geharnischten Feldherren-Porträts des 16. und 17. Jahrhunderts ab. Die „Bild“-Zeitung unterstützte den Plagiator bis zuletzt, Widerstand formierte sich im Internet. Der Eifer, mit dem Forscher und Studenten Guttenberg demontierten, hatte, so Gustav Seibt, „etwas von Notwehr“. Christian Schröder

Oliver Lepsius, Reinhart Meyer-Kalkus (Hg.): Inszenierung als Beruf. Der Fall Guttenberg.

Edition Suhrkamp,

Berlin 2011.

216 Seiten, 10 €.

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