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Kultur: Lichtgestalten

Vor der Tournee: Rattle und die Philharmoniker.

Bevor sich die Philharmoniker auf eine Konzertreise in den dunklen Norden begeben, erproben sie daheim ihr Tourneeprogramm – zugunsten von Filmkameras unter knackigem Saallicht. Ligetis eröffnende „atmosphères“ dringen hier nicht aus den Tiefen des Alls, das bekanntlich sehr dunkel ist. Der im Hauch von Klaviersaiten verebbende Klangstrom scheint direkt aus einem Reinluftlaboratorium zu dringen. Und daher stammt, wie Neuenfels in Bayreuth schlüssig bewiesen hat, auch Lohengrin. Simon Rattle schließt das Wagner-Vorspiel nahtlos an Ligeti an, mit frappierender Wirkung. Die Geigen glänzen nicht mehr überirdisch, sondern sorgen eher zweckdienlich für Helligkeit. Dann jedoch verbreitet sich statt Weihewohlklang ein tief gefühlter Schmerz, wie ihn Rattle glaubwürdig im Wagner-Wallen entdecken kann. Debussys „Jeux“ stehen etwas blass im Schatten dieses Erlebnisses, während die Philharmoniker bei Ravels 2. Suite aus „Daphnis et Chloé“ wieder selbstbewusst zu Saft und Kraft finden.

Davon soll auch Schumanns „Rheinische“ profitieren – und zeigen, wie aufgekratzt der romantische Ton in Berlin so schwingt. In der „lebhaft“ überschriebenen Eröffnung offenbart sich die Balance noch als fragil, mit Akzenten, die sich gegenseitig auszulöschen drohen. Auch bei Schumann gelingt Rattle aber wieder eine eher bestürzende Sicht auf den „feierlich“ betitelten Satz, den er ganz nach Innen zu wenden weiß. Mitten im Getümmel lauert die Einsamkeit. Sie werden das Saallicht ganz hell machen, in Oslo, Helsinki oder Reykjavik. Ulrich Amling

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